Störenfriede und Klassenclowns
Die eine Unterrichtsstörung gibt es natürlich nicht. Dazu liegt die Schmerzgrenze bei Lehrern unterschiedlich hoch. Der eine fühlt sich bereits in seinem Vortrag gestört, wenn in der hintersten Reihe kurz getuschelt wird, der andere greift erst ein, wenn die halbe Klasse in einen heftigen lautstarken Streit verwickelt ist.
Dazu wird beispielsweise das stille Weiterreichen von Zetteln als weniger störend empfunden, als laute Zwischenrufe. Ein einziger witziger Kommentar eines wirklich scharfsinnigen Schüler kann als Auflockerung des Themas wahrgenommen werden, während ein permanent alberner Klassenclown die Nerven des Lehrers und der Mitschüler gleichzeitig strapaziert.
Bildungsexperten definieren Unterrichtsstörungen auf verschiedene Weise. Beispielhaft sei hier die Definition von Gert Lohmann aus seinem Buch Mit Schülern klarkommen. Professioneller Umgang mit Unterrichtsstörungen und Disziplinkonflikten genannt:
- Verbales Störverhalten (Zwischenrufe, Beleidigungen, Unterhaltungen)
- Mangelnder Lerneifer (Desinteresse, geistige Abwesenheit)
- Motorische Unruhe (Zappeln, mit dem Stuhl kippeln)
- Aggressives Verhalten (Sachbeschädigungen, Wutausbrüche)
Für den Lehrer kann ein Schüler, der den Unterricht mit ständigen Zwischenrufen stört, genauso belastend sein, wie ein Schüler, der scheinbar tagträumt und mit den Gedanken ganz woanders ist.
Die Ursachen für Unterrichtsstörungen
Als Ursachen wurden von Experten ebenfalls verschiedene Bereiche ausgemacht. An äußeren Einflüssen lässt sich in der Regel nichts ändern. Dazu gehört beispielsweise Baulärm, der von Außen in die Klassenzimmer dringt und die Konzentration stört. In den Sommermonaten kann starke Hitze hinzukommen. Nicht umsonst gibt es hitzefrei, wenn in Innenräumen eine bestimmte Temperatur erreicht wird. Da diese Ursachen temporär sind, ist es besser, den Unterricht daran anzupassen. Wird beispielsweise eine Hitzewelle mit hohen Temperaturen angekündigt, die die Schüler lethargisch machen, ist es sinnvoller, einen Lehrfilm zu präsentieren als eine große Diskussionsrunde zu planen. Bei den anderen Ursachen ist es lohnenswert, sie genauer zu betrachten.
Die Lehrkraft als Ursache für Unterrichtsstörungen
Eine der häufigsten Ursachen für Unterrichtsstörungen ist mangelnde Disziplin seitens der Schüler. Gerade in der Pubertät wollen sie sich ausprobieren und ihre Grenzen austesten. Eine Lehrkraft, die sie zu lange gewähren lässt oder einfach nur ständig folgenlos droht und bittet, wird von den Schülern nicht ernst genommen. Wie viele ehemalige Schüler sagen später, dass sie die Lehrer am meisten respektierten, die „streng aber gerecht“ waren? Ein Beispiel: Der Lehrer fordert zwei Schüler auf, das Tuscheln zu unterlassen. Die beiden hören kurz auf, machen aber nach einigen Minuten weiter. Spätestens jetzt muss eine Aufforderung dies zu unterlassen samt Strafandrohung kommen. Wird dann noch immer weiter getuschelt, muss die Strafe aber auch wirklich folgen.
Weitere typische Fehler auf Lehrerseite, die Unterrichtsstörungen begünstigen:
- Schlechte/fehlende Unterrichtsvorbereitung
- Unpünktlichkeit des Lehrers
- Fehlende Fachkenntnisse
- Schlechter Unterrichtsstil / Vortrag
- Unklare Arbeitsanweisungen/Erwartungen
- Unsicheres Auftreten
- Sehnsucht nach Anerkennung
Jeder weiß aus der Praxis, dass ein Vortrag mitreißen muss. Dies gilt natürlich auch für den Schulunterricht. Ein Lehrer, der einen längeren Vortrag in monotonem Tonfall und/oder mit zu leiser Stimme hält, wird seine Zuhörer schon bald verlieren. Abhilfe kann beispielsweise ein Seminar oder Workshop „Rhetorik für Lehrer“ schaffen. Bei diesen Kursen lernen die Teilnehmer Stimme und Körpersprache richtig einzusetzen, und deutlich und laut zu sprechen.
Lesetipp
Literaturtipp: Rhetorik für Lehrerinnen und Lehrer von Barbara E. Meyer
Die Schüler als Ursache für Unterrichtsstörungen
Hinter dem Verhalten störender Schüler können unzählige verschiedene Gründe liegen. Oft genug wollen die heranwachsenden Jugendlichen einfach nur ihre Grenzen austesten. Die Konfrontation mit Erwachsenen ist so alt wie die Menschheit selbst und absolut wichtig für diese Altersgruppe. Dabei ist es natürlich unverzichtbar, ihnen entsprechende Grenzen zu setzen und zu sagen: Bis hier und nicht weiter. Ein Lehrer, der sich als „kumpelhafter Versteher“ gibt, wird auf weit weniger Respekt stoßen als ein Lehrer, der bis zu einem gewissen Punkt freundlich ist, aber auch konsequent durchgreift und bestraft.
Die familiären Hintergründe
Dazu kennen Lehrkräfte häufig die familiären Hintergründe ihrer Schüler nicht. Wird ein Schüler beispielsweise zu Hause von einem extrem dominanten Vater (seltener von der Mutter) unterdrückt, herumkommandiert oder sogar körperlich gezüchtigt, ist die Schule oft der einzige Ort, an dem er seine unterdrückte Wut herauslassen kann – indem Lehrer oder Mitschüler zum Opfer der Aggressionen werden. Möglicherweise kann es sinnvoll sein, einen Schulpsychologen oder eine andere Vertrauensperson hinzu zu ziehen, die diese Schüler erreicht.
Das extreme Gegenbeispiel sind die überbehüteten Kinder sogenannter Helikopter- oder Schneepflug-Eltern. Sie sind es gewohnt, dass sie sich zu Hause alles erlauben können und freche Bemerkungen eher als Zeichen von Selbstbewusstsein ermutigt und nicht diszipliniert werden. Zugleich können sie sich darauf verlassen, dass ihre Eltern sie bei einem Konflikt mit dem Lehrer unterstützen und verteidigen würden. Viele wünschen sich jedoch klammheimlich sogar, dass ihnen jemand Grenzen aufzeigt – und werden Ihnen entsprechenden Respekt zollen.
Eine dritte Ursache liegt im sogenannten bildungsfernen Milieu: Eltern, die selbst keinen Wert auf Bildung gelegt haben und ihre Kinder darum auch nicht zum Lernen und zu Disziplin anhalten. Kinder und Jugendliche bekommen vorgelebt, dass es auch ohne gute Noten und Zeugnisse geht und verhalten sich in der Schule entsprechend unmotiviert und disruptiv. Manche dieser Schüler können Sie mit Überzeugungsarbeit für sich gewinnen, wenn Sie ihnen entsprechende Zukunftsperspektiven eröffnen (zum Beispiel das Ergreifen eines Traumberufs, für den ein Studium erforderlich ist).
Lesetipp
Neurobiologische Ursachen & mehr
Sehr viel wurde in den letzten Jahren über die Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) geschrieben. Rund 4 Prozent aller Kinder und Jugendlichen sind davon betroffen. Sie möchten konzentriert arbeiten, doch sie können es einfach nicht. Ein umfangreiches Informationsangebot speziell für Pädagogen einschließlich weiterführender Fachliteratur hat das Zentrale ADHS-Netz am Universitätsklinikum Köln zusammengestellt.
Auch das Bewusstsein für Lese-Rechtschreibschwäche (Dyslexie) und Rechenschwäche (Dyskalkulie) ist stark gestiegen. Kommt das Kind nicht richtig im Unterricht mit, neigt es schnell zu Verhaltensauffälligkeiten wie aggressivem Auftritten oder Herumalbern. Umfassende Hintergrundinformationen und Fördermaßnahmen bietet das LRS-Zentrum an der RWTH Aachen an.
In gar nicht so seltenen Fällen können auch andere körperliche Ursachen dahinterstecken. So kann es vorkommen, dass Fehlsichtigkeit oder Schwerhörigkeit bei Kindern nicht diagnostiziert wird. Ein Kind, das nicht richtig lesen kann, was an der Tafel geschrieben wird, oder das den Vorträgen des Lehrers nicht folgen kann, erweckt schnell den Eindruck, es würde desinteressiert Tagträumen.
Wie lassen sich Unterrichtsstörungen beheben?
Erfolgreiche Ursachenforschung kann viel dazu beitragen, die Unterrichtsstörungen auf ein Minimum zu reduzieren. Der neuseeländische Bildungsforscher John Hattie sprach in seinen Standardwerk Visible Learning von Classroom Management. Einige der wichtigsten Tipps für einen möglichst störungsfreien Unterricht:
- Ein gut vorbereitetes Klassenzimmer, in dem sich die Schüler wohlfühlen.
- Gute Vorbereitung des Unterrichtsstoffs selbst.
- Klar strukturierter abwechslungsreicher Unterricht (z.B. Wechsel zwischen Frontal-, Einzel- und Gruppenunterricht)
- Konsequente Einhaltung festgelegter Regeln.
- Zügige Bestrafung bei Missachtung dieser Regeln.
- Belohnung von positivem Verhalten.
- Stärkung des Gemeinschaftssinns durch gemeinsame Aktivitäten und Projekte.
Wichtig dabei: Nicht nur reagieren, sondern vorausschauend agieren. Denken Sie auch daran, dass Sie oft nicht wissen, was sich in der Schulpause abgespielt hat oder welche Nachrichten von außen per Smartphone zu den Schülern dringen. So kann es sinnvoller sein, den Schülern zu Beginn des Unterrichts fünf Minuten Zeit zu geben, einen Konflikt aus der Pause zu bereinigen, als einfach von Anfang an auf Zuhören pochen, wenn die Schüler überhaupt nicht bei der Sache sind und weiter tuscheln und andere Weise kommunizieren. Allerdings muss nach diesen fünf Minuten auch wirklich Schluss sein oder es folgen disziplinarische Maßnahmen.
Disziplinarische Maßnahmen bei Unterrichtsstörungen
Wenn eine verbale Ermahnung nichts bringt, haben Pädagogen die Wahl unter verschiedenen weiteren Maßnahmen, die sich an der Schwere der Störung orientieren und an der Häufigkeit, mit der ein Schüler stört. Einige Beispiele:
- Tuscheln zwei Schülerinnen ständig miteinander, setzen Sie sie auseinander. Gerade für enge Freundinnen ist dies oft Höchststrafe.
- Erwischen Sie Schüler immer wieder dabei, Zettel herumzureichen, fangen Sie die Zettel ab und lesen Sie sie laut vor der Klasse vor.
- Legt der Schüler das Smartphone auch nach Ermahnung nicht weg, nehmen Sie es ihm für den Rest der Stunde weg und legen es sichtbar auf das Lehrerpult.
- Stört ein Schüler mit Zwischenrufen, schließen Sie ihn für einige Minuten oder den Rest der Stunde vom Unterricht aus.
- War die ganze Klasse während des Unterrichts disruptiv, brummen Sie ihr eine Zusatzhausaufgabe auf, in der sie den Stoff bearbeiten, der im Unterricht nicht durchgenommen werden könnte.
Bei dauerhaften Störungen sollten Sie das Gespräch mit Kollegen, einem Schulpsychologen, den Eltern oder auch dem Jugendamt suchen. In schweren Fällen können Ordnungsmaßnahmen wie de Schulverweis ergriffen werden.
Weiterführende Beiträge mit Schwerpunkt Umgang mit Problemen:
Linksammlung
- Buch von Gert Lohmann: Mit Schülern klarkommen. Professioneller Umgang mit Unterrichtsstörungen und Disziplinkonflikten
- Buch von Barbara E-Meyer: Rhetorik für Lehrerinnen und Lehrer
- Zentrales ADHS-Netz: ADHS in Schule und Unterricht
- LRS-Zentrum: Website
- Buch von John Hattie: Lernen sichtbar machen
Bildnachweis
- Titelbild: Iakov Filimonov / Shutterstock.com
- Thermometer zeigt Hitze: Claudio Divizia/ Shutterstock.com
- Schüler sitzt Eltern gegenüber: KÜNSTLER / Unsplash
- Vorbereitung auf Unterricht / pixabay