Viele Lehrkräfte spielen mit Wechselgedanken
Die Laufbahn als Lehrer:in gilt eigentlich als sichere Bank: Nach dem Studium erfolgt schon bald die Verbeamtung, die mit der Unkündbarkeit einher geht. Damit ist die finanzielle Zukunft gesichert. Zugleich bedeutet das Lehramtsstudium auch eine Einbahnstraße: Ausgebildete Lehrkräfte, so will es das Klischee, sind für andere Berufe gänzlich ungeeignet. Beides stimmt jedoch nur eingeschränkt. Immer mehr Lehrer:innen sind heute Angestellte, die sich von einem frustrierenden befristeten Vertrag zum nächsten hangeln. Nicht selten müssen sie über die langen Sommerferien Hartz IV beantragen, da die Kommunen die Gehälter nicht weiter zahlen wollen. Zur langfristigen Motivation trägt dies natürlich nicht bei. Doch auch das Klischee der Unvermittelbarkeit ist nicht richtig. Immer mehr Lehrkräfte sehen sich nach Alternativen zum Lehrberuf um, weil sie kurz vor dem Burnout stehen oder weil sich der scheinbare Traumjob für sie als Alptraum entpuppte.
Schon 2011 gab in einer Studie der DAK fast ein Fünftel (16%) der 1.300 befragten Lehrer:innen an, aufgrund der angeschlagenen Gesundheit vorzeitig in den Ruhestand gehen zu wollen. Weitere 44% waren sich nicht sicher, ob sie bis zur Pensionierung durchhalten würden. Dies deckte sich mit der Erhebung des Statistischen Bundesamtes, wonach lediglich 40% die Regelaltersgrenze von 65 Jahren erreichten. Die Zahlen haben sich seither kaum gebessert. Eine neue Studie der DAK spezifisch zur Corona-Krise erkannte eine Burnout-Gefährdung bei jeder vierten Lehrkraft. Der Wunsch nach einem beruflichen Wechsel ist entsprechend groß.
Beratung und Coaching für wechselwillige Lehrkräfte
Lehrkräfte, die mit einem Berufswechsel liebäugeln, finden heute verschiedene Hilfsangebote. Eine erste Anlaufstelle könnte das Buch „Lebenslang Lehrer? Alternativen zum Lehrerberuf“ von Thomas Unruh sein. Unruh ist Hauptseminarleiter am Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung in Hamburg und hat bereits mehrere Fachbücher für Lehrkräfte verfasst. In seinem Buch erzählt er mehrere Geschichten von Aussteiger:innen und gibt Tipps zum Umstieg.
Viele ehemalige Lehrkräfte haben sich als Coach und Berater:in speziell für ihre Branche eine neue Karriere aufgebaut, darunter die Ex-Studienrätin Isabell Probst. Nach sechsjähriger Tätigkeit als Lehrerin für Geschichte und Englisch an einem Gymnasium in Nordrhein-Westfalen wählte sie den Ausstieg aus dem Beamtentum. Sie kritisierte das System in einem Interview als unheilbar krank und verwies drauf, das ausgerechnet die Leidenschaftlichen und Engagierten als erste aufgeben. Sie bietet heute Coachings für Aussteiger:innen an, hat das Buch „Ausgelehrt – Ab morgen läuft die Schule ohne mich“ im Eigenverlag veröffentlicht und betreibt den Podcast „Life after Lehramt“.
Lesetipp
Alternativen zum Lehrberuf im Bildungssektor
Für wechselwillige Lehrkräfte stellt sich natürlich die Frage nach anderen Tätigkeiten, die für sie in Frage kommen. Mögen Sie den Lehrberuf an sich eigentlich gerne und sind lediglich durch den täglichen Druck und Stress an staatlichen Schulen mit ihren zu großen Klassen und zu engen Vorgaben genervt, gibt es verschiedene Optionen für Sie:
- Private Bildungseinrichtungen mit kleineren Klassen und anders zusammengesetzter Schüler:innenschaft, in denen der Leistungsdruck jedoch ebenfalls enorm hoch sein kann;
- Bildungsreferent:innen in Stiftungen, Verbänden und ähnlichen Organisationen, die didaktische Konzepte und Weiterbildungsprogramme erarbeiten oder auch selbst Seminare und Schulungen durchführen;
- Lehrkräfte in der Erwachsenenbildung, zum Beispiel an Volkshochschulen, in Handwerkskammer und ähnlichen Bereichen;
- Lektor:in/Redakteur:in im schulischen Bereich, zum Beispiel bei Schulbuchverlagen, außerschulischen Bildungsorten, etc., die Lehrmaterialien verfassen und prüfen;
- Nachhilfelehrer:in an qualifizierten Nachhilfeinstituten;
- Rückkehr an die Universität für wissenschaftliche Studien/Forschungen.
Andere Berufe im pädagogischen Bereich erfordern meist eine zusätzliche Qualifikation. So können Lehrkräfte als Betreuer:innen in Jugendeinrichtungen oder für Kinder und Jugendliche mit Lernstörungen tätig werden.
Vielen engagierten Lehrkräften gelingt es, eine starke Beziehung zu ihren Schüler:innen aufzubauen. Diese schenken ihnen ihr Vertrauen und ihre Zuneigung. Dennoch wird der Schuldienst aufgrund der starren inflexiblen Regeln und des ständigen Drucks unerträglich. Erkennen Sie sich darin wieder, kommt auch eine Laufbahn als Schulpsychologe oder Schulpsychologin in Frage. Dazu ist jedoch ein weiteres Psychologiestudium und eine Weiterbildung erforderlich. Die genauen Regelungen sind von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich.
Als Deutschlehrer:in oder zumindest qualifizierte Lehrkraft für „Deutsch als Fremdsprache“ haben Sie außerdem die Möglichkeit, im Ausland Deutsch zu unterrichten. Eine spannende Option, die mit Tapetenwechsel und ganz neuen Erfahrungen in fremden Ländern einher geht.
Lesetipp
Vollständiger Branchenwechsel
Auch wenn das Lehramtsstudium recht spezifisch ist, bringen Lehrer:innen doch viele Fähigkeiten mit, die sie auch in anderen Branchen einsetzen können. Da sie gut im Umgang mit Menschen geschult sind und über eine pädagogische Qualifikation verfügen, werden sie beispielsweise gerne im Bereich Human Resources eingesetzt. Dazu ist natürlich eine entsprechende Weiterbildung erforderlich. Möchten Sie keine lange Fortbildung oder ein weiteres Studium nicht auf sich nehmen, können Sie auch den Sprung in die Selbständigkeit wagen. Viele ehemalige Lehrkräfte bieten heute Coaching und Beratung – nicht nur für aussteigewillige Lehrkräfte – an.
Daneben bietet sich vielleicht die Chance, ein Hobby zum Beruf zu machen. Werden Sie Yoga-Lehrer:in, eröffnen Sie Ihr eigenes Kosmetikstudio oder ein kleines Hotel in den Bergen. Mit Hilfe einer guten Berufsberatung lassen sich verschiedene Möglichkeiten auf ihre realistische Umsetzung abklopfen.
Unsere Angebote
Sabbatical statt Berufswechsel
Sind Sie unsicher, ob Sie den eigentlich geliebten Lehrberuf wirklich aufgeben wollen? Viele Bundesländer bieten die Möglichkeit zu einer längeren Auszeit, die auch Sabbatical oder Sabbatjahr genannt wird. Dieses Jahr können Sie nutzen, um Abstand vom täglichen Schulstress zu gewinnen und wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Gehen Sie einige Monate auf Reisen oder widmen Sie sich einer anderen Tätigkeit, zum Beispiel einem ehrenamtlichen sozialen Engagement. Beachten Sie dabei nur, dass ein Sabbatical langfristig geplant werden muss: In den Jahren vor der geplanten Auszeit werden Sie eine Lohnkürzung in Kauf nehmen müssen. Das so gesparte Geld fließt dann jedoch als Gehalt während des Sabbatjahrs auf Ihr Konto. Möglicherweise entdecken Sie in dieser Zeit Ihre Leidenschaft für einen anderen Beruf und gehen bereits auf Stellensuche, oder Sie merken, dass Ihnen die Schule und die Schüler:innen doch sehr fehlen. Frisch gestärkt und neu motiviert kehren Sie in Ihren Lehrberuf zurück.
Linksammlung
- Die Welt: Wenn sich Lehrer von Vertrag zu Vertrag hangeln müssen
- DAK Studie 2011: Lehrergesundheit
- DAK: Jede 5. Lehrkraft denkt an Frühpensionierung
- DAK Studie 2020: Corona-Krise: Jede vierte Lehrkraft Burnout-gefährdet
- Thomas Unruh: Buch “ Lebenslang Lehrer? Alternativen zum Lehrerberuf“
- Cicero: Interview mit Isabelle Probst
- Isabelle Probst: Buch „Ausgelehrt – Ab morgen läuft die Schule ohne mich“
- Podcast Isabelle Probst: Life after Lehramt
- Weiterbildungsfinder: Schulpsychologie
Bildnachweis
- Titelbild: Drei Lehrkräfte ESB Professional/ Shutterstock.com
- Coaching und Beratung: fizkes/ Shutterstock.com
- Yogalehrerin: fizkes/ Shutterstock.com