Schüler bewerten Lehrkräfte
Große Diskussionen um die Bewertung von Lehren gab es bereits 2007 mit der Gründung der Website „spickmich.de“. Dort hatten Schüler die Möglichkeit, ihre Lehrer in Kategorien, wie zum Beispiel „fachlich kompetent“, „guter Unterricht“, „motiviert“ aber auch „beliebt“ oder „cool und witzig“ zu benoten. Das daraus erstellte Zeugnis war für alle registrierten Schüler der jeweiligen Schule einsehbar. Bis zu seiner Abschaltung 2014 blieb das Portal umstritten.
2009 reichte eine Deutschlehrerin Klage ein, da sie sich durch die schlechten Bewertungen, die sie auf dem Portal erhielt, diffamiert fühlte. Der Fall ging durch alle Instanzen, bis der Bundesgerichtshof die Klage abwies. Begründet wurde die Entscheidung damit, dass das Recht auf freien Meinungsaustausch in diesem Fall mehr wiege als das Recht auf informelle Selbstbestimmung.
Kritik und Befürchtungen
Lehrerbewertungen sind nicht unumstritten. Insbesondere die folgenden Kritikpunkte werden immer wieder als Gegenargumente in der Debatte um die Thematik gebracht:
- Schüler könnten unfaires und ungerechtfertigtes Feedback abgeben, um sich beispielsweise an Lehrern zu rächen, die sie nicht leiden können.
Vorgesetzte hätten die Möglichkeit, Lehrkräfte, insbesondere Referendare, mit Hilfe der Schülerbewertungen zu überwachen. - Schüler könnten das Bewertungssystem nutzen, um ihre Lehrkräfte unter Androhung eines schlechten Feedbacks unter Druck zu setzen.
- Lehrer würden Schülern unverhältnismäßige Zugeständnisse machen, ihre Schüler besser bewerten und weniger von ihnen fordern, um in der Bewertung gut dazustehen.
- Die Durchführung und Auswertung eines Schülerfeedbacks würde einen zusätzlichen zeitlichen Aufwand für die Lehrer bedeuten.
- Lehrern eine solche Bewertung aufzuzwingen, könnte dazu führen, dass sie die Ergebnisse von vornherein nicht anerkennen, wohingegen eine freiwillige Bewertung nicht von den Lehrkräften durchgeführt würde, die mit einem schlechten Feedback rechnen und sie am nötigsten hätten.
Lesetipp
Wie sieht die Realität aus?
Die Befürchtung, dass Lehrerbewertungen auch zukünftig in der Art abgegeben werden, wie es auf „spickmich.de“ der Fall war, lässt auch jetzt noch viele Lehrkräfte an der Sinnhaftigkeit eines derartigen Feedbacks zweifeln. Allerdings gibt es einen großen Unterschied zwischen der nicht-repräsentativen Bewertung in einem Online-Portal und einem konstruktiv geplant und durchgeführten Bewertungssystem, wie ein 2016 begonnenes Modellprojekt in Bayern beweist.
Dabei haben Schüler aller Schulformen die Möglichkeit, ihre Referendare zu bewerten. Zwei Mal im Jahr müssen sich die Referendare an den 79 teilnehmenden Schulen ein Feedback ihrer Schüler einholen. Die Bewertung besteht aus Fragen, die von Wissenschaftlern entworfen wurden und die von den Referendaren überarbeitet und auf den eigenen Unterricht angepasst werden können. Das Feedback erfolgt außerdem anonym und kann weder von anderen Lehrkräften noch von der Schulleitung eingesehen werden.
Das Projekt, das ursprünglich nur für zwei Jahre geplant war, wurde so positiv aufgenommen, dass es um ein weiteres Jahr verlängert wurde. Die Rückmeldungen der Referendare bestätigen, dass die vorher geäußerte Sorgen und Zweifel am Projekt sich nicht bewahrheitet haben. Im Gegenteil: Die Bewertungen der Schüler seien überwiegend konstruktiv und ermöglichen eine qualitative Verbesserung der Unterrichtsgestaltung sowie die Möglichkeit für die Lehrkräfte, an geäußerter Kritik zu wachsen und ein Bewusstsein dafür zu erhalten, wie sie von ihrer Klasse wahrgenommen werden. Doch genauso hilfreich wie geäußerte Kritik scheint auch der Aspekt, dass Lehrer durch das Feedback mehr Wertschätzung erhalten können, die von Schülern sonst eher selten geäußert wird.
Auch auf die Schüler hatte die Einführung der Lehrerbewertung einen positiven Effekt, da sie ihnen das Gefühl vermittelt, dass ihre Meinung gehört werden will. Sie fühlen sich dadurch ernst genommen und lernen gleichzeitig, Kritik konstruktiv und fair zu formulieren und zu äußern.
Konstruktives Feedback erhalten und damit arbeiten
Um eine hilfreiche Lehrerbewertung zu erhalten, mit der man konstruktiv weiterarbeiten kann, sollten einige Dinge beachtet werden:
Bei der Erstellung des Bewertungssystems sollten Lehrkräfte sich genaue Fragen stellen. Hier einige Beispiele:
- Welches Feedback möchte ich konkret von meinen Schülern erhalten?
- Zu welchen Methoden/Unterrichtskonzepten sollen sie sich äußern?
- Welche Art des Feedbacks ist meiner Klasse zumutbar? (In einer ersten Klasse sollte das Bewertungssystem anders konzipiert sein als in einer zehnten)
- Wie möchte ich die Bewertung umsetzen? (Fragebogen, Online-Umfrage, …)
Auch während der Durchführung sollten die Lehrkräfte auf Transparenz setzen. Wichtig ist, den Schülern zu erklären, welche Bewandtnis das Feedback hat und dass es zum Vorteil für beide Seiten ist, bei der Bewertung fair und ehrlich vorzugehen.
Die Auswertung der Ergebnisse sollte von der Lehrkraft ernst genommen werden. Durch die Ergebnisse lässt sich feststellen, ob sich die eigene Wahrnehmung auf das Unterrichtsgeschehen von der der Schüler unterscheidet und mit welchen Maßnahmen man auf die Kritik eingehen könnte. Auch eine Auswertungsrunde mit der Klasse ist äußerst sinnvoll. Dabei geht es nicht darum, Kritik kleinzureden, sondern offen aufeinander zuzugehen und gemeinsam an der Optimierung des Unterrichts zu arbeiten.
Linksammlung
- Welt: Lehrerbewertungen machen Schule
- Spiegel: Sollen Schüler ihre Lehrer bewerten?
- FAZ: Offen mit den Schülern sprechen
- Betzold: Schüler-Feedback
Bildnachweis
- Titelbild: Tumisu /Pixabay
- Über Lehrer austauschen: StockSnap/Pixabay