Lehrer wählen den Beruf, weil viel Freizeit und lange Ferien locken.
Stimmt nicht, zumindest nicht für die meisten Lehrer. Eine Umfrage unter Lehramts-Erstsemestern an der Universität Leipzig zeigt, dass die meisten Studierenden aus sozialen Gründen Lehrer werden möchten. Sie sind an der Persönlichkeitsentwicklung (voll zutreffend 69,4%/ eher zutreffend 27,2%) und an der Ausbildung (53,1%/37,2%) von Kindern und Jugendlichen interessiert. Viele der Befragten glauben zudem, dass sie einmal gute Lehrer sein werden und haben schon von anderen gehört, dass sie gut erklären könnten. Zwar war das wissenschaftliche Interesse nur bei etwa 40 Prozent der Befragten ausschlaggebend für die Studienentscheidung. Jedoch lehnten die Befragten die Meinung in großer Mehrheit ab, dass Lehramt leichter als andere Studiengänge sei.
Die mittelmäßigen Abiturienten werden Lehrer.
Stimmt, zumindest in vielen Fällen. Natürlich gibt es auch viele Lehrer, die selbst Einser-Kandidaten waren. Jedoch zeigt eine Studie des Stifterverbands für die deutsche Wissenschaft und die Unternehmensberatung McKinsey, dass eher die mittelmäßigen Schüler unterrichten möchten. Während fast die Hälfte aller Abiturienten mit einer Durchschnittsnote zwischen 2,1 und 4,0 am Lehrerberuf ‚eher‘ bis ’sehr‘ interessiert ist, trifft dies nur für 38,1 Prozent der Abiturienten mit einem Notendurchschnitt zwischen 1,0 und 2,0 zu“, heißt es in der Studie.
Nach dem Studium erwartet junge Lehrer ein gewaltiger Praxisschock.
Stimmt oft. Die Metastudie des Aktionsrat Bildung zum Thema Burnout bei Lehrern zeigt, dass ein Grund für die hohe Überlastung von Lehrern idealistische Vorstellungen sind. Noch immer legen viele Universitäten keinen ausreichenden Fokus auf die Praxis in der Lehrer-Ausbildung. Zwar sind Praktika an Schulen in der Regel Pflicht im Studium. In einigen Bundesländern wie Nordrhein-Westfalen ist auch ein Orientierungspraktiktum vor Beginn des Lehramts-Studiums Pflicht. Trotzdem erleiden noch immer viele Studenten einen Praxisschock im Referendariat. Der Aktionsrat Bildung fordert daher, dass Unis Auswahl- und Beratungsgespräche durchführen müssten.
Lehrer sind besonders faul, weil sie einen festen Job haben.
Stimmt nicht. Lehrer leisten viele unbezahlte Überstunden, (siehe unten) wie z.B. während einer Klassenfahrt und werden dafür nicht immer fair bezahlt: Während viele Lehrer verbeamtet sind und daher entsprechende Privilegien wie eine Pension erhalten, werden Pädagogen in anderen Bundesländern wie Berlin nicht verbeamtet und bleiben ein Leben lang im Angestellten-Verhältnis. Pädagogen-Verbände beklagen daher eine Zweiklassengesellschaft an Schulen: So zeigt eine Studie im Auftrag der Schutzgemeinschaft angestellter Lehrerinnen und Lehrer (Schall NRW), dass angestellte Pädagogen während einer durchschnittlichen Laufbahn bis zu 275.000 Euro weniger verdienen als ihre verbeamteten Kollegen. Und das trotz gleicher Arbeit.
Lehrer sind vom Burnout besonders bedroht.
Stimmt, wie eine Metastudie des Aktionsrats Bildung aus dem Jahr 2014 zeigt. Demnach leiden viele Beschäftigte im Erziehungssektor unter chronischem Stress und psychischen Beeinträchtigungen: Von den 2,1 Millionen Beschäftigen in Deutschland gab ein Drittel an, unter zu hohen Belastungen zu leiden. Schuld daran sind Stress im Unterricht, weil Lehrer ständig Entscheidungen treffen müssen, Mobbing-Erfahrungen, zusätzliche Aufgaben aufgrund des Lehrermangels und eine schwere Trennung zwischen Beruf und Privatleben. Laut der Studie sind vor allem zwei Gruppen von Lehrern besonders Burnout-gefährdet: Lehrer, die besonders engagiert sind und nur eine geringe Widerstandskraft besitzen sowie resignierte Lehrer, die weder Engagement noch Widerstandskraft aufbringen können.
Problematisch ist die Burnout-Gefahr nicht nur für die Gesundheit von Lehrern. Auch die Schüler leiden darunter: Kanadische Forscher haben bei einer Untersuchung von rund 400 Schulkindern im Alter von acht bis 13 Jahren herausgefunden, dass es einen eindeutigen Zusammenhang zwischen gestressten Schülern und dem Burnout-Risiko bei Lehrern gibt.
Lehrer arbeiten weniger als andere, haben dafür aber mehr Urlaub.
Stimmt nicht. Verschiedene Studien zeigen unabhängig voneinander, dass Lehrer durchschnittlich viele unbezahlte Überstunden leisten. Die Gewerkschaft GEW hat bereits in den Jahren 2015/16 mit Verweis auf eine Befragung von 2900 Lehrkräften gezeigt, dass Lehrer an Gesamtschulen im Schnitt 46 Stunden und 42 Minuten wöchentlich arbeiten. Grundschullehrer kommen demnach auf 47 Stunden und 58 Minuten. Gymnasiallehrer sind bei der Arbeitszeit Spitzenreiter und ihren Kollegen und müssen durchschnittlich sogar 48 Stunden und 18 Minuten pro Woche arbeiten.
Auch wenn man die Ferien verrechnet, arbeiten Lehrer zu viel. Um über das gesamte Jahr gesehen auf eine reguläre Arbeitszeit von 40 Stunden zu kommen, müssten sie in der Schulzeit nämlich nur 46 Stunden und 38 Minuten wöchentlich arbeiten. Und das auch nur unter der Bedingung, dass sie in den Ferien keine Minute lang arbeiten – was sie aufgrund von Klausuren und Konferenzen jedoch tun. Nicht zu vergessen sind außerdem Klassenfahrten, auf denen Lehrer im 24-Stunden-Dienst sind und dafür oftmals keine angemessene Reisekostenerstattung erhalten.
Lehrer jammern ständig.
Stimmt nicht. Natürlich weisen Lehrer-Verbände wie die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft immer wieder auf die Überlastung von Pädagogen hin. Eine Metastudie der Göttinger Sozialwissenschaftler Dr. Frank Mußmann und Dr. Thomas Hardwig zeigt jedoch, dass viele Lehrkräfte hoch motiviert sind. Auch Bildungsforscher der Universität des Saarlandes haben herausgefunden, dass Lehrer zwar über einen hohen Zeitdruck klagen, jedoch nicht unzufriedener sind als andere Angestellte.
Die Arbeit von Lehrern wird nicht anerkannt.
Stimmt (leider) in vielen Fällen. Der „Global Teacher Status Index 2013“ zeigt, dass Deutschland nur Platz 16 von 21 untersuchten OECD-Ländern erreicht hat. Weniger als 20 Prozent der Befragten in Deutschland glauben, dass Schüler Respekt vor ihren Lehrern haben. Besonders Grundschullehrer kämpfen mit einem niedrigen Ansehen, während Lehrer an weiterführenden Schulen und Schulleiter noch mittelmäßiges Ansehen genießen. Zudem würden weniger als 20 Prozent der Befragten ihre eigenen Kinder dazu ermutigen, selbst Lehrer zu werden. Bildungspolitiker wie die ehemalige Kultusministerin Annette Schavan mahnen daher an: „Es darf nicht sein, dass außerhalb der Schule alle meinen, besser um Bildung Bescheid zu wissen als die Lehrer selbst“.
Lesetipp
Bildnachweis
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- Lehrer sitzt im Klassenzimmer: Christian Schwier – stock.adobe.com
- Stift schreibt Stress/ pixabay