Wie die digitalen Medien besser zum Einsatz kommen können, zeigen einige Nachbarländer. Wir stellen drei Beispiele vor, von denen Deutschland lernen kann.
Finnland – Lernen vom Pisa-Musterschüler
Seit die Pisa-Studie im Jahr 2000 eingeführt wurde, gilt Finnland als ein europäisches Bildungswunderland. Anfangs pilgerten internationale Bildungsexperten, Schulleiter und Politiker Richtung Norden, um von dem Land mit rund 5,5 Millionen Einwohnern zu lernen. Zwischenzeitlich verlor Finnland jedoch seinen Status als Musterland in Sachen Bildung und fiel bei der Pisa-Studie im Bereich Mathematik von Platz 2 auf Platz 12. Die finnische Regierung entschied, diesem Negativ-Trend entgegenzusteuern. Seit Herbst 2016 ist deshalb ein neuer Lehrplan im Einsatz, der gemeinsam von Behörden und Politikern, aber auch Lehrern, Forschern, Kommunen und Schulen erarbeitet wurde.
Im Zentrum der Reform steht der Ansatz des Phenomenon-based Learnings. Mit Hilfe von Laptops und Tablets, aber auch Zeitungen und eigenen Experimente, sollen finnische Schüler im Unterricht Fähigkeiten lernen, die sie später im Berufsleben weiterbringen: Zu den Kompetenzen gehört es beispielsweise, selbstständig Informationen zu beschaffen, diese einzuordnen und zu analysieren. Dafür recherchieren die Schüler zu wichtigen gesellschaftlichen Themen wie dem Klimawandel, der Flüchtlingspolitik oder der Europäischen Union.
Diesen digitalen Ansatz haben die Finnen bewusst gewählt, weil sie im Bereich digitales Lernen lange auf den hinteren Plätzen rangierten. Laut der Europäischen Kommission nutzten nur 18,2 Prozent der finnischen Schüler Informationstechnologien im Unterricht oder für Projekte. Damit sich dieser Anteil erhöht, investierten die Behörden kräftig in die digitale Infrastruktur und gaben geschätzte 300 Millionen Euro für Laptops, Tablets und Software aus. Zudem erhalten Lehrer Weiterbildungen im Bereich Digitalisierung.
Mittlerweile haben digitale Medien in allen Schulstufen Einzug gehalten. Für junge Schüler stehen spezielle Lernspiele zur Verfügung. In nahezu jeder Klasse kommt zudem das digitale Klassenbuch Wilma zum Einsatz. Darüber können Eltern, Schüler und Lehrer bequem kommunizieren, Noten überprüfen und Klassenstände verfolgen. Einigen Pilotschulen in Finnland reicht dieser Einsatz jedoch noch nicht. Sie verzichten mittlerweile komplett auf gedruckte Schulbücher und setzen stattdessen auf E-Books.
Die Niederlande – Wahlfreiheit für Schulen
In den Niederlanden ist die Akzeptanz digitaler Medien insgesamt sehr hoch ausgeprägt. Die Schulen verfügen über relativ viel Freiraum und können eigene Digitalisierungsstrategien entwickeln. Zugleich greift der Staat ihnen unter die Arme und stellt Fördergelder für Hardware zur Verfügung. Über die Organisation „Kenniset“ werden Lehrkräfte im Bereich Digitalisierung und Medienkompetenz fortgebildet.
Die Kombination aus Freiheit und Unterstützung scheint zu funktionieren: Alle Schulen sind mittlerweile mit einem Internetzugang ausgestattet, die meisten stellen auch WLAN zur Verfügung. Im Landesdurchschnitt verfügen die Klassen über so viele Computer, dass sich nur etwa vier Schüler ein Gerät teilen müssen. Viele Klassen sind auch komplett mit Tablet-Computern ausgestattet.
Wer sich für seine Kinder eine noch intensivere digitale Ausbildung wünscht, kann sie an einer der iPad-Schulen anmelden, die vom Meinungsforscher und Unternehmer Maurice de Hond gegründet wurden. In den Klassen dieser sogenannten Steve-Jobs-Schulen laufen etwa 70 bis 80 Prozent des Unterrichts übers iPad ab.
Estland – Kleiner Pionier in Sachen Digitalisierung
Über den Stand der Digitalisierung in vielen europäischen Ländern können viele Esten nur lachen. Dort sind bereits seit 1999 alle Schulen ans Internet angeschlossen. 2020 soll es alle Schulbücher auch in digitaler Form geben. Dabei haben die Balten durchaus kein blindes Vertrauen in die Digitalisierung, die als eine von acht Grundkompetenzen im schulischen Curriculum verankert ist. Die estnische Strategie ist es vielmehr, den Schülern einen verantwortungs- und sinnvollen Umgang mit digitalen Medien beizubringen. An estnischen Schulen kommen also durchaus noch Schreibhefte und Bücher zum Einsatz, auch Frontalunterricht findet gelegentlich statt.
Ähnlich wie auch die finnischen Nachbarn setzen estnische Schulen auf ein digitales Klassenbuch, das in der estnischen Variante ekool heißt.
Darin tragen Lehrer den Unterrichtsstoff der Stunde ein, die Hausaufgaben und fehlende Schüler. Die Eltern können die Daten ihrer Kinder jederzeit einsehen, Lehrer anschreiben und Entschuldigungen hochladen. Das in Deutschland wichtige Thema Datenschutz haben die Macher des digitalen Klassenbuchs dabei ebenfalls bedacht: Alle Eltern und Lehrer haben nur Zugriff auf bestimmte Daten der Schüler. Die Lehrer können zum Beispiel nicht einsehen, welche Noten ihre Schüler in anderen Fächern haben. Zudem werden die Schüler jederzeit benachrichtigt, wenn jemand auf ihr Profil zugreift.
Aus deutscher Sicht ist aber vor allem der Einsatz digitaler Medien im Unterricht beeindruckend: Ähnlich wie bei einer Quiz-Show haben Lehrer zum Beispiel die Möglichkeit, ihren Schülern eine Frage mit vier möglichen Antworten zu zeigen. Die Schüler wählen die Antwort aus, die ihrer Ansicht nach richtig ist, und halten ein entsprechendes Schild hoch. Darauf ist eine Art QR-Code abgedruckt. Die Besonderheit: Die Lehrer können mit ihrem Smartphone oder Tablets alle QR-Codes der Schüler gleichzeitig einscannen und sehen auf ihrem Bildschirm, welche Schüler mit ihrer Antwort richtig lagen.
Einen Eindruck vom digitalen Unterricht in Estland vermittelt die Deutsche Welle:
Lesetipp
Linksammlung
- Spiegel Online: Warum Estlands Schüler den deutschen weit voraus sind
- Deutschlandfunk: Estlands digitales Klassenzimmer ist Spitze in Europa
- Forum Bildung Digitalisierung: Publikationen
Bildnachweis
- Junge Erwachsene: George Rudy/ Shutterstock.com
- Kinder mit dem Tablet: Syda Productions/ Shutterstock.com