Klassenzimmer 4.0: Schulen im digitalen Wandel

Fünf Milliarden Euro sollten ab Januar aus Bundesmitteln in die Digitalisierung der deutschen Schulen fließen. Vorerst ist der Digitalpakt jedoch gestoppt, weil die Länder die von Bildungsministerin Anja Karliczek geplante Änderung des Grundgesetzes einstimmig abgelehnt haben. Die Ministerpräsidenten beschlossen stattdessen, den Vermittlungsausschuss anzurufen. Wie es mit dem Digitalpakt weitergeht, ist daher unklar.
Fünf Milliarden Euro sollten ab Januar aus Bundesmitteln in die Digitalisierung der deutschen Schulen fließen. Vorerst ist der Digitalpakt jedoch gestoppt, weil die Länder die von Bildungsministerin Anja Karliczek geplante Änderung des Grundgesetzes einstimmig abgelehnt haben. Die Ministerpräsidenten beschlossen stattdessen, den Vermittlungsausschuss anzurufen. Wie es mit dem Digitalpakt weitergeht, ist daher unklar.
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Kritik für den Beschluss der Länder kam vom Deutschen Gewerkschaftsbund und dem Deutschen Städte- und Gemeindebund (DStGB), dessen Mitglieder auch Schulträger sind. Gerd Landsberg vom DStGB sagte dem WDR, dass die Schulen und Bürger kein Verständnis für die Entscheidung hätten und kritisierte die mangelnde Ausstattung der Schulen scharf: „Die Schulen sind oftmals eher analoge Baracken als digitale Kathedralen“, sagte er gegenüber WDR 5.

Doch wie steht es wirklich um die Digitalisierung an Deutschlands Schulen? Wir stellen die wichtigsten Studien rund um das Klassenzimmer 4.0 vor.

Alle Herolé-Artikel zu den digitalen Medien haben wir hier zusammengetragen.

Finanzielle Mittel für die Digitalisierung

Wie hoch die Ausgaben für eine solide digitale Infrastruktur an Deutschlands Schulen wären, hat das Institut für Informationsmanagement der Universität Bremen (ifib) im Auftrag der Bertelsmann Stiftung errechnet. Die Wissenschaftler untersuchten modellhaft für Grund- und weiterführende Schulen, welche finanziellen Mittel für pädagogische Konzepte, Fachpersonal und eine gute digitale Ausstattung nötig wären. Investitionen in Infrastruktur und Endgeräte wurden dabei auf einen Zeitraum von fünf Jahren umgelegt. Einmalige Kosten in Breitbandanbindung und die Fortbildung der Lehrer wurden nicht einberechnet.

Das Ergebnis der Studie: Grundschulen hätten einen jährlichen Bedarf von 45.600 Euro (261 Euro pro Schüler) und weiterführende Schulen 301.500 Euro (402 Euro pro Schüler). Insgesamt ergeben sich daraus 2,8 Milliarden Euro jährliche Kosten für die Digitalisierung an deutschen Schulen. Laut den Autoren der Studie werden etwa 20 bis 50 Prozent dieser Kosten bereits von den Kommunen aufgebracht, die teilweise finanzielle Unterstützung ihrer Bundesländer erhalten. Der Digitalpakt ist somit ein erster Schritt des Bundes, um die vorhandene Finanzierungslücke zu schließen. Als Problem sieht die Bertelsmann Stiftung es jedoch an, dass der Pakt nur eine einmalige Finanzspritze vorsieht. Die Digitalisierung sei jedoch eine Daueraufgabe und einmalige Investitionen würden daher nicht ausreichen, betonte Jörg Dräger, Vorstand der Bertelsmann Stiftung. Die Kommunen bräuchten eine kontinuierliche Unterstützung bei der digitalen Infrastruktur in den Schulen.

Die digitale Ausstattung der Schulen

Bundesweite Zahlen für die Ausstattung von Schulen zu finden, ist nicht einfach. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) hat deshalb im Sommer 2018 ihre Mitglieder zu dem Thema befragt. Im Rahmen einer repräsentativen Befragung sollten die Gewerkschaftsmitglieder angeben, wie es um die Ausstattung an ihrem Arbeitsplatz steht. Demnach sind Schulen vor allem im Bereich der Digitalisierung schlecht aufgestellt. 82 Prozent der befragten Lehrer meinten, dass eine Verbesserung der digitalen Ausstattung an ihrer Schule wichtig oder sogar sehr wichtig sei. 89 Prozent gaben zudem an, dass die Bereitstellung zusätzlicher Gelder höchste oder hohe Priorität haben sollte.  Die Mitglieder sehen folgende Anforderungen bei der Digitalisierung ihrer Schulen:

  • Wartung und Betreuung der digitalen Ausstattung (94 Prozent)
  • Bereitstellung von Hardware für Lehrkräfte (90 Prozent)
  • Datenschutz (89 Prozent)
  • Umfassende Fortbildungen für Lehrer (85 Prozent)
  • Unabhängigkeit von Medienkonzernen (85 Prozent)
  • Die digitale Ausstattung richtet sich nach dem pädagogischen Konzept der Schule (83 Prozent)

Der Einsatz digitaler Medien im Unterricht

Die Mehrheit der Lehrer ist somit nicht zufrieden mit der technischen Ausstattung ihrer Schule. Das wirkt sich auch auf den Einsatz neuer Medien im Unterricht aus. So zeigt die dritte Ausgabe des „Monitors Digitale Bildung“ der Bertelsmann Stiftung, für die Schüler, Lehrer, Schulleiter sowie Experten aus Politik und Verwaltung befragt wurden, dass viele Lehrer in ihren eigenen Unterrichtsstunden nur zurückhaltend mit digitalen Medien umgehen. Auch längst etablierte Medien wie YouTube, Wikis oder Power Point kommen nur selten zum Einsatz. Noch seltener finden neuere Anwendungen wie Lern-Apps, Lernspiele oder Simulationen ihren Weg in den Schulalltag. Als Begründung gaben viele Lehrer die fehlenden technischen Rahmenbedingungen an ihren Schulen an. Bemängelt wurden unter anderem die unzuverlässige Technik, fehlender professioneller IT-Support und die mangelhafte WLAN-Qualität. Jeder Fünfte gab der Studie zufolge sogar an, dass es an seiner Schule überhaupt kein WLAN gebe.

In zwei HEROLÉ-Ratgeberartikeln stellen wir die besten Apps für Lehrer und Schüler vor.

Die Studie zeigt jedoch auch, dass nicht nur die fehlende Ausstattung ursächlich für die digitale Zurückhaltung ist. Es mangelt auch an Konzepten, wie digitale Medien sinnvoll im Unterricht einzusetzen sind. Die große Mehrheit der Lehrer (81 Prozent) und Schulleiter (88 Prozent) sieht die Chancen des digitalen Wandels hauptsächlich darin, administrative Aufgaben besser bewältigen zu können.

Nur acht Prozent der Schulleiter messen der Digitalisierung eine hohe strategische Bedeutung für die Ausrichtung der Schule bei. Folglich nutzen auch nur 15 Prozent der Lehrer digitale Lernformen auf vielfältige Weise im Unterricht. 37 Prozent greifen ab und zu darauf zurück und 48

Prozent nutzen sie wenig. Dabei gaben 80 Prozent der befragten Schüler an, dass sie durch Lernvideos, Internet-Recherchen oder moderne Präsentationsprogramme aktiver und aufmerksamer seien und sich daher einen vielseitigeren Einsatz digitaler Medien in der Schule wünschten. „Dabei riskieren die Schulen auch, sich von der Lebenswelt der Schüler zu entkoppeln und den Umgang mit digitalen Medien nicht hinreichend zu vermitteln“, heißt es von Seiten der Bertelsmann Stiftung. Deren Vorstand Jörg Dräger fordert daher, dass der sinnvolle Einsatz digitaler Medien zum Pflichtprogramm in jedem Lehramtsstudium sein müsse.

Unterschiede in den Bundesländern

Im „Länderindikator 2017“ der Telekom Stiftung zeichnet sich immerhin ein positiver Trend ab: Die Zahl der Lehrkräfte, die nie digitale Medien im Unterricht einsetzen, geht stark zurück. Prof. Wilfried Bos von der Technischen Universität Bochum, der die Studie geleitet hat, sieht trotzdem Nachholbedarf, da der Fortschritt insgesamt klein bleibe. Die Studie untersucht insgesamt 35 Indikatoren in fünf Kategorien aus, zu denen unter anderem die IT-Ausstattung der Schulen und die Nutzung digitaler Medien im Unterricht gehören. Außerdem gibt die Studie Aufschluss darüber, wie die Länder im Vergleich dastehen:

  • Zur Spitzengruppe gehören: Rheinland-Pfalz, Hessen und Bayern
  • In der Mittelgruppe sind: Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Hamburg, Bremen, Niedersachsen, NRW, Sachsen-Anhalt und Thüringen
  • Verstärkten Handlungsbedarf sehen die Autoren bei: Schleswig-Holstein, Sachsen und dem Saarland.

Die Studien zeigen insgesamt also, dass das deutsche Bildungswesen noch akuten Nachholbedarf in Sachen Digitalisierung hat – sowohl bei der digitalen Infrastruktur als auch bei der Ausbildung der Lehrer. Doch wie ist die Lage in den europäischen Nachbarstaaten? Mit dieser Frage beschäftigen wir uns in der kommenden Woche.

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