Die Corona Chroniken
Vor genaue einem Jahr wurden zur Weihnachtszeit die ersten Fälle einer mysteriösen Lungenerkrankung im zentralchinesischen Wuhan gemeldet. Wochenlang versuchte die chinesische Regierung den Ausmaß der Infektion zu vertuschen, doch umsonst: In Rekordzeit verbreitete sich der neuartige Erreger von Wuhan aus, um die ganze Welt.
- Am 27. Januar 2020 wurde die erste Infektion in Deutschland bekannt: In Bayern hatte sich ein Mann bei einer chinesischen Kollegin angesteckt, die das Virus aus Shanghai mitbrachte.
- Am 7. Februar brachte das Bundesgesundheitsministerium erstmals eine Informationsbroschüre zum neuen Erreger heraus, der zunächst noch 2019-nCoV genannt wurde.
- Am 12. Februar waren in Deutschland 16 Personen mit dem Coronavirus infiziert. Bei Rückreisenden aus anderen Ländern, insbesondere aus Asien, wurde erstmals Quarantäne angeordnet.
- Am 27. Februar rief die Bundesregierung einen Krisenstab zusammen, der die Eindämmung der Pandemie kontrollieren sollte.
- Am 10. März beschloss der Krisenstab die Absage aller Großveranstaltungen ab 1.000 Teilnehmer. Zugleiche wurde erstmals über Kurzarbeitergeld für Betriebe besprochen, die Corona-bedingt schließen mussten. Zu diesem Zeitpunkt zählte Deutschland insgesamt etwas mehr als 1.000 Infektionen.
- Am 12. März kam schließlich der Lockdown: Einzelhandel, Theater, Kinos Sportstätten, Museen und andere Orte, an denen Menschen zusammenkommen konnten, wurden geschlossen.
Die Bundesländer einigten sich zudem darauf, Schulen und Kindertagesstätten flächendeckend „zunächst bis zu den Osterferien“ zu schließen. Anschließend, so hoffte man, wäre das Infektionsgeschehen schon wieder unter Kontrolle. Doch das Gegenteil war der Fall: Das Virus, das mittlerweile den vollen Namen SARS-CoV-2 trug, grassierte weiter. Die mit ihr verbundene Krankheit hatte den Namen Covid-19 erhalten.
Die gesamte Corona-Chronik ist auf der Website des Bundesgesundheitsministeriums zu finden.
Chaos am Küchentisch: Homeschooling
Wenn Deutschland doch nur halb so gut bei der Digitalisierung wäre wie bei der Erfindung unnötiger Anglizismen. Als mit dem Lockdown im März auch die Schulen geschlossen wurden, sollte der Unterricht digital werden. Dazu wurde der Begriff Homeschooling herbeigezogen, mit dem in den USA eigentlich die vollständige Beschulung von Schülern durch die Eltern im eigenen Heim gemeint ist. Im Lockdown war eher vorgesehen, dass die Lehrer ihre Schüler kurzfristig digital per Internet unterrichten sollten. Nichts deckte die Rückständigkeit Deutschlands in Sachen Digitalisierung so schonungslos auf wie diese Entscheidung. Es fehlte an technischer Ausstattung, an digitalen Tools und am Wissen. Einige Lehrer tauchten komplett unter, andere bemühten sich, das Beste aus der Situation zu machen und wurden dafür zum Teil auch noch von der Schulleitung abgestraft.
Glücklich konnten sich Schüler mit engagierten Lehrern schätzen, die mit digitalen Schulplattformen umgehen konnten oder flugs für Unternehmen vorgesehene digitale Plattformen wie Zoom für den Unterricht nutzen. Doch nicht nur unvorbereitete Lehrer und Schulen waren ein Problem: Viele Schüler besaßen keine digitalen Endgeräte, mit denen sie von zu Hause am Unterricht teilnehmen konnten. Viele besaßen nicht einmal ein eigenes Zimmer als Rückzugsraum und mussten sich das Wohnzimmer mit Geschwistern und Eltern, die in Kurzarbeit oder ins Homeoffice geschickt wurden, teilen. So wirkte Corona auch hier wie ein Brennglas, das bestehende Probleme verdeutlicht: In diesem Fall die Verstärkung der sozialen Ungleichheit bei der Bildung.
Lesetipp
Das Corona-Abitur
Schon bald wurde deutlich, dass bis zu den Sommerferien kein Regelunterricht mehr stattfinden konnte. Besonders betroffen waren die Schüler, die in diesem Frühjahr ihr Abitur machten und für die kaum eine normale Vorbereitung möglich war. Das Staunen kam später: In dem meisten Bundesländern waren die Durchschnittsnoten gleichauf mit dem letzten Jahr und manchmal sogar besser. Im für strenge Schulnoten bekannten Bayern lag der Abi-Schnitt beispielsweise im Corona-Jahr 2020 bei 2,25, während er in den Jahren dafür bei 2,28 bzw 2,29 gelegen hatte. Auch der Anteil der Schüler mit einer glatten 1,0 war von 2,24 auf 2,61 Prozent gestiegen. Zu Feiern gab es dagegen wenig: Abschlussfahrten und Abibälle mussten komplett abgesagt werden.
Der Bildungsgipfel
Mit dem Ende der Sommerferien stand fest, dass es keine Schulschließungen mehr geben sollte. Zu wichtig sei der Präsenzunterricht, insbesondere für sozial schwache Schüler, die beim Homeschooling nur noch weiter abgehängt würden. Zugleich trafen sich die Kultusminister im September 2020 mit Kanzlerin Merkel und Bildungsministerin Anja Karliczek zum Bildungsgipfel. Heraus kam – wie so üblich beim Thema Digitalisierung in den Schulen – vor allem heiße Luft. Immerhin gab es neben schwammigen Absichtserklärungen auch einige konkrete Vereinbarungen:
- Großzügiger Ausbau der Glasfaser-Internetanbindung aller Schulen;
- Ausstattung aller Lehrkräfte und bedürftiger Schüler mit geeigneten digitalen Endgeräten, für die der Bund zweimal 500 Millionen Euro locker macht;
- Weitere 500 Millionen Euro für die Ausbildung und Finanzierung technischer Administrationen der digitalen Infrastruktur an Schulen;
- Bildung von Kompetenzzentren für digitales und digital gestütztes Unterrichten;
- Entwicklung einer gemeinsamen Bildungsplattform;
- Qualitativ hochwertige digitale Bildungsmedien.
Die gesamte Pressemitteilung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung hier.
Wann diese Gelder einmal fließen werden und wann die hehren Ziele erreicht sein werden, lässt sich zu diesem Zeitpunkt noch nicht sagen. Anfang 2021 wollen sich die Gipfelteilnehmer erneut zur Diskussion treffen.
Lüften, Lüften, Lüften
Der Herbst 2020 war für deutsche Schüler vor allem eines: Kalt. Damit Präsenzunterricht stattfinden konnte, mussten die Schulzimmer permanent gelüftet werden. Der Einbau teurer Lüftungsanlagen war entweder gar nicht möglich oder zog sich in die Länge. Stattdessen saßen die Schüler mit dicken Winterjacken und Maske im Klassenzimmer. Immer wieder wurden ganze Schulklassen in Quarantäne geschickt, nachdem ein Schüler positiv getestet wurde.
Kurz vor dem Jahresende war es dann soweit. Nachdem die Infektionszahlen in Deutschland trotz „Lockdown Light“ weiter stiegen, war das eiserne Festhalten am Präsenzunterricht Geschichte: Mit dem Inkrafttreten des neuen harten Lockdowns am 16. Dezember beginnen für Schüler im ganzen Land die Weihnachtsferien früher und werden voraussichtlich länger dauern.
#hörtunszu: Das Letzte Wort haben die Lehrer des Landes
Abschließen möchten wir diesen Rückblick mit einem herzlichen Dank an alle Lehrkräfte, die sich in diesem Jahr oft weit über Gebühr für ihre Schüler eingesetzt und um guten Unterricht bemüht haben. Was unsere Lehrer bewegt, hat Netzlehrer Bob Blume in einem sehenswerten Video „Forderungen an die Bildungspolitik“ samt Hashtag #hörtunszu in den Sozialen Medien zusammengefasst:
Wir wünschen allen Lehrer*innen ein gesundes, erfolgreiches neues Jahr, in dem sich das Leben allmählich wieder normalisiert und wir voller Optimismus neu durchstarten!
Buchtipp: Das Schuljahr nach Corona – Was sich ändern muss. Die Beiträge der 16 Autorinnen und Autoren zeigen nicht nur die Dringlichkeit für jetzt nötige Veränderungen, sondern geben auch Anregungen.
Linksammlung
- Bundesgesundheitsministerium: Chronik Corona
- HEROLÉ Ratgeber: Tipps für den digitalen Unterricht
- Berliner Zeitung: Corona verschärft die Ungleichheit unter Schülern
- Süddeutsche: So fiel das Abi zu Corona-Zeiten in Bayern aus
- Bundesministerium für Bildung und Forschung: Pressemitteilung Bildungsgipfel
- Julia Egbers, Armin Himmelrath (Hrsg.): Das Schuljahr nach Corona – Was sich ändern muss
Bildnachweis
- Titelbild: Tama2u / Shutterstock.com
- Schüler beim Homeschooling: Fabio Principe / Shutterstock.com
- Schülerin mit Maske im Klassenzimmer: Rido / Shutterstock.com
- Lehrerin lüftet und desinfiziert Klassenzimmer: ShineTerra / Shutterstock.com