Zum Thema Bildung heißt es in Artikel 24:
Die Vertragsstaaten erkennen das Recht von Menschen mit Behinderungen auf Bildung an. Um dieses Recht ohne Diskriminierung und auf der Grundlage der Chancengleichheit zu verwirklichen, gewährleisten die Vertragsstaaten ein integratives Bildungssystem auf allen Ebenen und lebenslanges Lernen […]
Demnach haben Kinder mit Behinderungen das Recht, eine Regelschule zu besuchen – vorausgesetzt, dass sie und ihre Eltern das möchten. Damit die Schüler:innen gleichberechtigte Mitglieder der Klassengemeinschaft sein können, möchten sie selbstverständlich auch an Schulveranstaltungen wie Klassenfahrten teilnehmen. Damit die Fahrt für alle zu einer schönen und entspannten Zeit wird, sollten sich Lehrkräfte, Schüler:innen und Eltern auf die Bedürfnisse aller einstellen. Hier sind Tipps zur Inklusion auf Klassenfahrten.
Die Bedürfnisse der Schüler:innen abklären
Lehrkräfte sind in der Regel mit den Einschränkungen ihrer Schüler:innen vertraut. Bei einer Klassenfahrt stehen die unterschiedlichen Bedürfnisse der Schüler:innen allerdings noch stärker im Vordergrund als im normalen Unterricht. Die Klasse verbringt einige Tage und Nächte außerhalb der Heimat, so dass rund um die Uhr eine geeignete Betreuung der Schüler:innen mit Behinderung gewährleistet sein muss. Deshalb sollten sich die Lehrkräfte unbedingt rechtzeitig mit den betroffenen Schüler:innen und Eltern treffen. Noch bevor ein Ziel für die Klassenfahrt ausgewählt wurde, sollten die Beteiligten einige Fragen klären: Welche Einschränkungen hat die Person? Was muss beim Reiseziel beachtet werden? Gibt es Programmpunkte, an denen der oder die Schüler:in nicht teilnehmen könnte?
Da sich niemand ausgeschlossen oder diskriminiert fühlen soll, sollten diese Fragen rechtzeitig besprochen werden. Wenn die Lehrkraft der Klasse zum Beispiel eine Klassenfahrt nach Garmisch in die Bergen vorschlägt und hinterher auffällt, dass ein:e Schüler:in mit chronischer Herzerkrankung nicht mitmachen könnte, sind Verstimmungen in der Klasse vorprogrammiert. Damit die Schulfahrt nicht zur Belastungsprobe für die ganze Klasse wird, sollten alle Beteiligten gut planen und die Organisation rechtzeitig in Angriff nehmen – so bleibt genügend Zeit, um eine geeignete Unterkunft und ein passendes Reiseziel zu finden. Lehrkräfte sollten daran denken, dass nicht nur sichtbare Einschränkungen wie ein Rollstuhl zu beachten sind – auch auf Erkrankungen wie schwere Diabetes sollte sich die Klasse rechtzeitig einrichten.
Reiseziel und Unterkunft auswählen
Wenn geklärt ist, auf welche Bedürfnisse die Klasse achten muss, kann die Planung der Reise beginnen. Für eine entspannte Fahrt sollte die Klasse ein Reiseziel wählen, das möglichst barrierefrei ist. Bei Schüler:innen mit körperlichen Einschränkungen bietet sich oftmals ein Städtetrip, wie zum Beispiel eine Klassenfahrt nach Hamburg an, da sich gerade in Großstädten leichter geeignete Unterkünfte finden lassen und auch der örtliche Nahverkehr in der Regel behindertengerecht ist.
In jedem Fall sollten die Lehrkräfte rechtzeitig mit der Recherche beginnen und alle Schüler:innen gleichberechtigt in die Planung mit einbeziehen. Oft lohnt es sich auch, die Eltern nach Vorschlägen für das Reiseziel zu fragen. Vielleicht waren sie vor Kurzem an einem schönen Reiseort, der barrierefrei und daher geeignet ist.
Wenn Schüler:innen und Lehrkräfte ein Reiseziel ins Auge gefasst haben, kann die Recherche nach einer geeigneten Unterkunft beginnen. Eine erste Anlaufstelle bei Reisen innerhalb Deutschlands sind die Jugendherbergen, die auf den Internetseiten der Landesverbände über barrierefreie Ausstattungen informieren. Sie sind oftmals gut auf körperliche Einschränkungen eingestellt und bieten zum Teil eine finanzielle Entlastung für Schüler:innen, die eine Begleitperson brauchen: Der Landesverband Berlin Brandenburg sichert Begleitpersonen zum Beispiel einen kostenlosen Schlafplatz zu. Voraussetzung ist, dass der oder die betroffene Schüler:in den Verweis „Merkzeichen B“ im Schwerbehindertenausweis hat.
Wer im Ausland unterwegs ist oder lieber in einem Hostel oder Hotel unterwegs ist, informiert sich am besten über Vergleichsportale oder Internetforen. Oft hilft es auch, die Geschäftsführung eines Hostels direkt zu kontaktieren. Im direkten Gespräch erfahren die Lehrkräfte oder Eltern, wie die Zimmer vor Ort ausgestattet sind. Wer mit einem Kind reist, das an schwerer Diabetes erkrankt ist, kann sich auch direkt nach einer geeigneten Verpflegung erkundigen.
Die Herolé-Kundenberater:innen geben gerne Auskunft zu geeigneten Unterkünften.
Anreise-Art wählen
Entscheidend für einen reibungslosen Ablauf ist auch, dass alle Schüler:innen das Reiseziel gut erreichen. Wenn gehbehinderte Personen die Fahrt begleiten, müssen Lehrkräfte daher auf ein geeignetes Transportmittel achten. Besonders praktisch ist zum Beispiel ein behindertengerechter Reisebus, da hiermit auch problemlos Hilfsmittel wie Rollstühle transportiert werden können.
Eine Übersicht über Unternehmen mit barrierefreien Reisebussen hat der Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmer zusammengestellt.
Seit Juli 2008 haben Fluggäste mit einer eingeschränkten Mobilität verbesserte Rechte. In einer Verordnung der Europäischen Union ist geregelt, dass Flughäfen, Fluggesellschaften ihre Mobilität unterstützen und zum Beispiel kostenlos Hilfsmittel wie klappbare Rollstühle zur Verfügung stellen müssen. Voraussetzung ist, dass Schüler:innen bzw. Lehrkräfte die notwendigen Hilfen 48 Stunden vor Abflug beim Reiseveranstalter oder der Fluggesellschaft anmelden.
Wer mit der Deutschen Bahn reist, kann bei den meisten Bahnhöfen darauf vertrauen, dass Fahrstühle vorhanden sind. Hilfe leistet vielerorts zum Beispiel die Bahnhofsmission. Weitere Informationen gibt es auf der Internetseite der Deutschen Bahn.
Hilfe beantragen
Schüler:innen mit körperlichen Behinderungen sind zum Teil auf eine 24-Stunden-Betreuung angewiesen. Nicht immer können Mitschüler:innen und Lehrkräfte diese Hilfe gewährleisten. Deshalb sollten sich die Betroffenen bzw. ihre Erziehungsberechtigten rechtzeitig mit der Frage beschäftigen, wer eine (medizinische) Begleitperson bezahlt. Wenn die Eltern und Schüler:innen die Schule über die Notwendigkeit informiert haben, sollten sie sich möglichst frühzeitig an Organisationen in der Nähe wenden. Einrichtungen wie zum Beispiel die Johanniter, Malteser oder das Deutsche Rote Kreuz vermitteln oftmals Betreuer:innen.
Am besten treffen sich die Eltern und Schüler:innen direkt mit Mitarbeitenden einer solchen Einrichtung und klären ab, wie teuer eine Begleitung in etwa sein wird. Anschließend sollten die Betroffenen jeweils ein Schreiben an die eigene Krankenkasse und an die Eingliederungshilfe aufsetzen und dieses per Einschreiben versenden. Darin sollte ein Antrag auf eine Kostenübernahme enthalten sein, in dem möglichst detailliert festgehalten wird, welche Art der Betreuung das Kind braucht. Am besten sollten Eltern darin argumentieren, warum es nicht ausreichend ist, dass ein Pflegedienst am Zielort die Betreuung übernimmt.
Leider herrscht oft Uneinigkeit zwischen den Krankenkassen und Sozialämtern über die Frage, wer die Kosten für eine Betreuung übernimmt. Betroffene sollten daher unbedingt an beide Stellen gleichzeitig einen Antrag stellen und darin erwähnen, dass sie sich auch an die andere Stelle gewandt haben. Sie sollten in ihrem Schreiben die Kontaktdaten der anderen Kostenstelle notieren und darum bitten, dass sich die Krankenkasse und die Eingliederungshilfe auf eine Kostenübernahme einigen. Wichtig: Eltern sollten Absagen ihres Antrags niemals telefonisch annehmen. Sie sollten in jedem Fall darauf bestehen, dass eine schriftliche Absage verschickt wird. Diese ist die Grundvoraussetzung dafür, Einspruch gegen die Entscheidung einlegen zu können.
Einen detaillierten Überblick über einen Antrag auf eine Begleitperson für Schüler:innen mit Diabetes Typ 1 gibt es hier.
Programm wählen
Wenn die Kostenfrage geklärt ist, steht zuletzt die Wahl eines geeigneten Programms an. Auch hier ist es wichtig, sich an den Bedürfnissen aller Teilnehmenden zu orientieren. Wichtig ist eine detaillierte Recherche vor Beginn der Reise. Klären Sie vor jedem Programmpunkt, ob alle Eingänge behindertengerecht sind und alle Schüler:innen an der Veranstaltung teilnehmen können. Wer zum Beispiel einen Stadtrundgang plant, sollte vorher mit der oder dem Reiseleitenden absprechen, dass keine Routen mit Treppen gewählt werden. Die meisten Organisator:innen stellen sich problemlos auf die Bedürfnisse ein, solange sie rechtzeitig informiert werden.
Tipps zur Vorbereitung einer inklusiven Klassenfahrt
- frühzeitige, detaillierte Vorbereitung und Absprache mit der Hausleitung (unter anderem Art der Anreise, Anzahl beeinträchtigter Schüler:innen, Art der Behinderung, spezielle Bedürfnisse der Gruppe, konkrete Vorhaben vor Ort)
- detaillierte Information über Ausstattung der Unterkunft (wie Zimmergröße, Türbreite, Lage der Zimmer, Fahrstühle, Tischhöhe im Speisesaal et cetera)
- frühzeitige Rücksprache mit Programmpädagog:innen zwecks Klärung auf Eignung des Wunschprogramms und etwaiger Modifizierungen
- Klärung der Infrastruktur vor Ort (Entfernung von Parkplätzen, Anbindung an öffentlichen Nahverkehr, weitere Transportmöglichkeiten)
- frühzeitige Information hinsichtlich Allergien/Lebensmittelunverträglichkeiten, damit sie bei der Verpflegung berücksichtigt werden können
- Klärung der ärztlichen Versorgung vor Ort (Entfernung Arzt/Ärztin, Krankenhaus)
- Information über spezielle behindertengerechte Einrichtungen
- Information über Zusatzangebote für Rollstuhlfahrende
Inklusive Klassenfahrten sind zwar in der Organisation aufwendiger – wenn sich alle Beteiligten rechtzeitig bemühen, steht einer erfolgreichen Fahrt aber nichts im Weg!
Lesetipp
Bildnachweis
- Titelbild: von pch.vector auf Freepik
- Ein Junge sitzt im Rollstuhl: wavebreakmedia/ Shutterstock.com