Die finanzielle Situation der Lehrkräfte auf Klassenfahrten
Bei der Leitung von Klassenfahrten handelt es sich um eine Diensttätigkeit. Was in keinem Unternehmen denkbar ist, war bislang für Lehrkräfte oft Normalität: Bis vor einigen Jahren war es üblich, dass die mitfahrenden Lehrkräfte ihre Kosten privat decken mussten. Erst verschiedene Proteste wie der Lehrerstreik in Niedersachsen 2014 haben dazu geführt, dass sie nun eine Reisekostenerstattung bei ihren Dienstherren einreichen können. Auch vielen Eltern wurde die Sachlage erst durch die Proteste bewusst.
Eigentlich müsste die Sachlage also ganz einfach sein: Die Begleitung und Betreuung einer Klassenfahrt gehört zu den dienstlichen Pflichten einer Lehrkraft. Für sie ist eine Klassenfahrt keine Freizeitveranstaltung. Lehrkräfte übernehmen für mehrere Tage die Aufsichtspflicht für die ganze Klasse, sind Ansprechpartner:innen und stehen in allen Situationen helfend zur Seite.
Die Praxis sieht oft anders aus
In fünf der 16 deutschen Bundesländer enthalten die Richtlinien zur Durchführung von Klassenfahrten oder die Arbeitsverträge für Lehrkräfte den wenig dezenten Vermerk, dass eine Lehrkraft auf die Erstattung der Reisekosten freiwillig verzichten kann, wenn anderenfalls die Klassenfahrt aufgrund unzureichender finanzieller Mittel der Schule nicht stattfinden kann. Und auch wenn dies nicht schriftlich fixiert ist, wird diese Vorgehensweise an vielen Schulen notgedrungen praktiziert.
Lehrer:innen geraten hier in eine moralische Zwickmühle. Kann eine Klassenfahrt nicht stattfinden, weil sie auf die Erstattung ihrer Kosten nicht verzichten können, kann dies ihr Verhältnis zu den Schüler:innen und den Eltern schädigen. Keine Lehrkraft möchte „schuld“ daran sein, dass eine Klassenfahrt nicht stattfinden kann. Und auch wenn der Verzicht auf Erstattung vordergründig dem jeweiligen Lehrkörper selbst überlassen ist, kann von Freiwilligkeit keine Rede sein. Vielmehr ist doch zu befürchten, dass Lehrkräften, die sich weigern, auf ihre Erstattung zu verzichten, ein Ansehensverlust bei der Schulleitung und dem Kollegium bevorsteht. Nachteilige Behandlungen lassen sich daher nicht mit Sicherheit ausschließen.
Lesetipp
Regelung nach dem Bundesreisekostengesetz
Die konkreten Regelungen zur Reisekostenerstattung trifft jedes Bundesland selbst. Die Länder orientieren sich dabei an den Landesreisekostengesetzen und dem übergeordneten Bundesreisekostengesetz. Dieses sieht eine Reisekostenvergütung für Beamte vor für:
- Fahrtkosten
- Übernachtungskosten
- Tagessatz für Verpflegung
- sonstige Nebenkosten (z.B. Eintrittsgelder)
Allerdings gibt in vielen Bundesländern kleine und doch feine Unterschiede. Wir haben die Informationen für alle Bundesländer gesammelt und für Sie in unserer Broschüre „Reisekostenerstattung für Lehrkräfte“ zusammengestellt. Sie können sich diese Broschüre kostenlos unter Downloads (weitere Informationen) sowie weitere praktische Check- und Packlisten herunterladen.
Was ist bei der Reisekostenerstattung für Lehrkräfte zu beachten?
Die Kosten werden grundsätzlich nur in angemessenem Rahmen vergütet. So müssen Schulklassen günstige Unterkünfte wie Jugendherbergen und Hostels buchen und auch bei der Anreise auf die günstigste Option setzen (z.B. Reisebus statt Flugzeug).
Lehrkräfte müssen außerdem darauf achten, keine scheinbaren Geschenke (zum Beispiel Freiplätze) anzunehmen. Auch dies ist in den Verordnungen der Bundesländer detailliert geregelt. In der Regel ist es jedoch möglich, die von Reiseveranstaltern wie HEROLÉ angebotenen Freiplätze so zu nutzen, dass die Kostenreduktion auf alle Teilnehmer:inne verteilt wird und so die ganze Klasse profitiert.
Klassenfahrten trotz kleiner Budgets
Welche Möglichkeiten gibt es also, Klassenfahrten trotz angespannter finanzieller Lage zu realisieren?
Wenn das Budget einer Schule nicht ausreicht, ist es laut den Vorschriften einiger Bundesländer möglich, Drittmittel in Anspruch zu nehmen. Dies können zum Beispiel GELDER VON FÖRDERVEREINEN ODER STIFTUNGEN sein. Diese Mittel können bspw. auf die ganze Klasse verteilt werden, um den Preis für alle Teilnehmenden zu minimieren, wodurch eventuell auch die Kosten für Begleitpersonen soweit gedrückt werden können, dass sie in das Budget der Schule passen. Möglich ist jedoch auch, dass diese Gelder zur vollständigen Erstattung der Kosten für Lehrkräfte und weitere Begleiter:innen genutzt werden. Diese Entscheidung obliegt jedoch in den meisten Fällen der Schulleitung und den Elternbeiräten.
Viele Reiseveranstalter bieten einen bis zwei Freiplätze für Klassenfahrten an. Deren Vergabe ist dabei den Klassen selbst überlassen. So kann damit zum Beispiel Schüler:innen aus finanziell schwächeren Familien eine Teilnahme an der Klassenfahrt ermöglicht werden. In vielen Fällen werden diese Plätze aber auch den Lehrkräften und anderen Begleitpersonen zur Verfügung gestellt. Hier gilt es jedoch einige Details zu beachten. Das Land Niedersachsen schreibt z.B. explizit vor:
„Die Vergabe von Freiplätzen an Lehrkräfte ist nur zulässig, wenn sie allen Beteiligten, insbesondere den Erziehungsberechtigten, bekannt gemacht wird.“ – Schulfahrten RdErl. d. MK v. 10.1.2006 – 35 – 82 021 – VORIS 22410
Ähnlichen handhaben es auch die übrigen Bundesländer. Sollen Freiplätze von den aufsichtführenden Lehrkräften genutzt werden, sollte dies vorher unbedingt mit Eltern und der Klasse abgesprochen werden.
Die Bundesländer sind in der Pflicht
Den Lehrern die Nutzung der Freiplätze nahe zu legen, ist für die Bundesländer der einfachste Weg, sich ihrer Verantwortung zu entledigen. Dabei darf aber nicht verhohlen werden, dass Freiplätze in fast allen Fällen nur rechnerisch entstehen, indem diese Kosten auf die restlichen Teilnehmer der Fahrt umgelegt werden. Bus- und Flugunternehmen sowie Programmanbieter berechnen weiterhin volle Preise. Reiseveranstalter können Freiplätze also nur anbieten, indem sie die Kosten auf andere Mitfahrer umrechnen.
Fallbeispiel
Eine Klasse mit 28 Schülern und zwei Lehrern VERREIST FÜR FÜNF TAGE NACH BARCELONA. Die Reise kostet 300 € pro Teilnehmer:in, d. h. insgesamt 9.000 €. Für 2 Freiplätze muss der Reisepreis für die Schüler auf 321€ angehoben werden.
Unsere Angebote
Freiplätze sind langfristig also keine Lösung! Dadurch steigen lediglich die Kosten für Schüler:innen und Eltern. Sie müssten Begleitpersonen und Lehrkräfte mitfinanzieren, damit die Klassenfahrt stattfinden kann. Hier geraten Lehrer:innen in eine weitere Zwickmühle: Freiplätze sollten doch lieber Schüler:innen zur Verfügung stehen, die sich eine Klassenfahrt nur schwer oder schlimmstenfalls gar nicht leisten können.
Galt früher die Annahme von Freiplätzen noch als Vorteilsnahme im Amt, wird diese Option nun vielfach angenommen, vor allem, da Eltern und Schüler:innen schließlich wollen, dass Klassenfahrten stattfinden können. Andererseits können auch nicht alle Eltern diese Situation nachvollziehen. „Warum können Sie sich denn bei Ihrem Gehalt nicht eine Klassenfahrt leisten?“ Viele Lehrkräfte werden so oder so ähnlich auf Elternabenden angefeindet. Und das nur, weil die meisten Bundesländer Reisekosten nicht in voller Höhe erstatten.
Bildnachweis
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