Lehrermangel: Die aktuelle Situation
Die vielen unbesetzten Stellen an Deutschlands Schulen sind ein Daueraufreger. Die Corona-Pandemie hat das Problem noch einmal verschärft, denn viele Lehrkräfte weigerten sich aus Angst vor einer Ansteckung Präsenzunterricht abzuhalten. Ersatz gab es keinen.
Sagenhafte 36.000 Lehrerstellen mussten zum Beginn des Schuljahres 2020/21 neu besetzt werden, wie eine Anfrage des Deutschen Schulportals bei den Kultusministerien ergab. Dies gelang nicht immer. Das Bundesland Berlin hatte 2.547 Vollzeitstellen ausgeschrieben, doch 300 Stellen waren zum Beginn des neuen Schuljahres noch unbesetzt. In anderen Bundesländern sah es kaum besser aus, wobei die Statistiken unterschiedlich ausfielen: Vor allem an den Grundschulen ist die Lage dramatisch: Hier fehlen einer neuen Studie der Bertelsmann Stiftung zufolge ab 2025 rund 26.300 Lehrer, während die Kultusministerkonferenz (KMK) mit lediglich 15.300 gerechnet hatte. Der Grund ist vor allem die Zuwanderung der letzten Jahre, die mit einem regelrechten Babyboom einher geht.
Anders sieht es am Gymnasium aus. Hier gibt es in den meisten Bundesländern sogar ein Überangebot an Lehrkräften. Einer Schätzung der KMK zufolge gab es im Schuljahr 2019/2020 etwa 4560 mehr Bewerber als offene Stellen. Gefragt sind speziell die Bundesländer, die Lehrer noch immer mit dem gut bezahlten, unkündbaren Beamtenstatus anlocken: darunter Baden-Württemberg, das den größten Bewerberüberhang verzeichnet. Auch die Schülerschaft an Gymnasien – größtenteils Jugendliche der Mittelschicht – ist attraktiver als an Grundschulen und an Haupt- und Mittelschulen.
„Schweinezyklus“ bedroht das Gymnasium
Doch bald könnte sich auch die Lage am Gymnasium ändern, wie der Bayerische Philologenverband Anfang 2020 prophezeite. Zumindest in Bayern sank die Zahl der Absolventen, die ihr Referendariat abschlossen in den letzten Jahren: 2018 waren es noch 710 Absolventen, 2019 dann 630 und 2020 sogar nur noch 530. Auch die Zahl der Studierenden sinkt, wodurch sich der Lehrermangel in den kommenden Jahren weiter verstärken wird.
Im Schulbereich ist dies nichts Neues. Oft ist die Rede vom Schweinezyklus: Gibt es ein Überangebot an jungen Bewerbern, sinkt die Zahl der interessierten Abiturienten, ein Lehramtsstudium zu ergreifen. In der Folge kommt es dann zu einem starken Lehrermangel. Bundesländer werben wieder stärker für den Beruf und schon entsteht das nächste Überangebot.
Deutschlands Lehrer als Fließbandarbeiter?
Doch es ist heute mehr als der Schweinezyklus: Der Lehrerberuf hat enorm an Attraktivität verloren. An der Bezahlung liegt es dabei nicht, wie PISA-Koordinator und OECD-Bildungsexperte Andreas Schleicher schon 2019 in einem Interview mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland befand. Er kritisierte, dass „Lehrer viel zu oft wie Fließbandarbeiter behandelt werden, deren Meinung nicht gefragt ist“. Beim Gehalt liegen Deutschlands Lehrer nämlich vorne. Zum Berufseinstieg verdienen sie zum Teil doppelt so viel wie im OECD-Durchschnitt. Doch sie leiden unter mangelnden Freiräumen und starren Vorgaben zu Lehrplänen. Dies frustriert und demotiviert vor allem junge Menschen, die oft ganz andere Vorstellungen mitbringen. Stichwort: Digitalisierung. Um den Schülern dennoch etwas über digitale Medien beizubringen, bieten sich unsere t Klassenfahrten mit Schwerpunkt Informatik oder die Klassenfahrten – Medien an. Hier lernen sie weitaus mehr, als nur auf Social Media aktiv zu sein.
Quer- und Seiteneinsteiger als letzte Chance
Die Zahl der Quer- und Seiteneinsteiger in den Lehrberuf steigt Jahren kontinuierlich, schwankt jedoch von Bundesland zu Bundesland. Rheinland-Pfalz besetzte zum Schuljahr 2019/2020 eine einzige von 1.000 vergebenen neuen Stellen mit einem Seiteneinsteiger. In Bayern lag die Quote bei 0,4% (20 Seiteneinsteiger bei 4.600 Neueinstellungen). Absoluter Spitzenreiter war die Hauptstadt Berlin; hier waren 61,1% aller Neueinstellungen Seiten- und Quereinsteiger: 1.649 Personen bei 2.700 Neueinstellungen.
Quereinsteiger und Seiteneinsteiger: Ein feiner Unterschied
Die Bundesländer definieren beide Begriffe individuell und manchmal unterschiedlich. Doch grob lässt sich sagen, dass keiner über ein eigentliches Lehramtsstudium (Abschluss: Master of Education) verfügt. Unterschieden werden drei Varianten:
Direkteinsteiger haben keine pädagogische Qualifikation in Form einer Ausbildung oder eines Studiums und kein Referendariat. Diese Form ist relativ selten und Direkteinsteiger werden höchstens zur Vertretung einzelner Stunden und zur zeitlich begrenzten Vertretung von Lehrern engagiert.
Seiteneinsteiger haben zuvor in einem anderen Beruf gearbeitet und meist ein Studium absolviert. Im Rahmen einer berufsbegleitenden Ausbildung qualifizieren sie sich für den Beruf der Lehrkraft.
Quereinsteiger absolvieren eine echte Lehrerausbildung, d.h. sie haben nach ihrem (anderen Studium) ein Referendariat absolviert und das zweite Staatsexamen durchlaufen.
Quereinsteiger nehmen also mehr Mühe auf sich, doch dafür winkt ihnen das Beamtentum mit allen Vorteilen. Seiteneinsteiger werden dagegen nur unbefristet eingestellt. Sie haben ein niedrigeres (Netto-)Gehalt, bekommen eine normale Rente und keine Pension und können sich nicht auf dem “unkündbaren” Beamtenstatus ausruhen.
Wie werde ich Seiten- oder Quereinsteiger?
Trotz der allgemeinen Definition werden die Begriffe oft austauschbar und manchmal auch synonym verwendet. Manche Bundesländer erlauben beide Varianten, andere nur eine. Die jeweils aktuellen Informationen sind auf den Websites der Kultusministerien der jeweiligen Bundesländer zu finden:
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Manche Eltern und Schüler betrachten es als Problem, dass die meisten Lehrer nie in der freien Wirtschaft gearbeitet haben. Von der Schule wechselten sie nach dem Abitur auf die Universität und wieder zurück auf die Schule. Das sogenannte echte Leben mit Bewerbungen, Kündigungen, Jobangst und Druck vom Chef ist ihnen ebenso fremd wie die berufliche Praxis in ihren gewählten Studienfächern: Der Chemielehrer, der nie in einem wissenschaftlichen Labor gearbeitet hat, zum Beispiel, oder der Englischlehrer, der nie längere Zeit in einem englischsprachigen Land gelebt und seine Alltagskultur wirklich kennengelernt hat.
Hier können Quer- und Seiteneinsteiger enorm punkten, denn sie kennen das Berufsleben (meist) aus ihrem früheren Job und bringen ganz andere Erfahrungswerte mit. Dazu handelt es sich oft um gereifte Persönlichkeiten, die sich ganz bewusst im mittleren Alter noch einmal für den Karrierewechsel und die neuen Aufgaben als Lehrer entschieden haben.
Allerdings sollten sich gerade Seiteneinsteiger gut überlegen, auf was sie sich einlassen. Da sie kein Referendariat absolvieren, fehlt ihnen eine konkrete Vorstellung vom Ablauf des täglichen Schulunterrichts. Sie wissen nicht, ob und wie gut sie mit den Schülern und den alltäglichen Belastungen des Schulbetriebs umgehen können und anders als Lehramtsstudenten fehlen ihnen pädagogische Kenntnisse. Es ist darum sinnvoll, sich nach Möglichkeiten zu erkundigen, zumindest bei anderen Lehrkräften zu hospitieren. So wissen auch sie, worauf sie sich einlassen, ehe sie sich auf den neuen Beruf als Lehrer festlegen.
Linksammlung
- Deutscher Schulportal: Wo die meisten Lehrkräfte fehlen
- Bertelsmann Stiftung: Studie zum Lehrermangel
- DW: Pädagogen ohne Stelle
- Bayerische Philologenverband: Der nächste Lehrermangel droht
- Spiegel Online: OECD-Bildungsexperte Andreas Schleicher im Interview
- Spiegel Online: Als Seiteneinsteiger in den Lehrerberuf
- ZEIT: Quereinsteiger in der Schule
Bildnachweis
- Titelbild: stockfour / Shutterstock.com
- Tafel „Lehrer gesucht“ / pixabay
- Junge Lehrerin: Evgeny Vorobiev/Shutterstock.com
