Die richtige Vorbereitung
Jahrelang wurde die Digitalisierung der deutschen Schulen verschleppt. Dies rächte sich böse mit dem Ausbruch der Corona-Pandemie. In kaum einem anderen Land was es so schwer, den Unterricht ins Internet zu verlagern, während die Schüler zu Hause bleiben mussten. Zum Vergleich: In Dänemark nutzten schon vor der Pandemie 91% der Schüler täglich digitale Medien und fast jede Schule besitzt eine eigene digitale Lernplattform. In Deutschland gaben gerade 17% der Schulen an, eine solche Plattform zu nutzen und lediglich 4% der Schüler verwenden digitale Medien täglich im Unterricht.
Für Schulen ist es also dringend geboten, eine eigene Lernplattform einzurichten. Einige Bundesländer haben hier schon Fortschritte gemacht, darunter Bayern mit der eigenen Plattform mebis, die alle Schulen des Freistaates nutzen können. Daneben gibt es eine ganze Reihe anderer Angebote:
Grundsätzlich gilt, dass Lehrer bei der Auswahl einer Lernplattform besser nicht alleine vorgehen sollten. Idealerweise setzt die ganze Schule auf die gleiche Software, die dann im günstigen Paket für alle Klassen erworben werden kann.
Bei der Auswahl sollten folgende Fragen eine Rolle spielen:
Welche Kommunikationsmöglichkeiten bietet die Plattform?
Neben dem eigentlichen digitalen Unterricht per Videochat sollte mindestens eine schriftliche Option nebenbei laufen, zum Beispiel ein Live-Chat. Dieser ist wichtig, falls es zu Störungen bei der Bildübertragung kommt. Daneben ist ein Messenger/Nachrichtensystem unverzichtbar, das auch E-Mails oder Textnachrichten an ausgewählte Gruppen verschickt. Denken Sie hier auch an die Eltern, die zum Beispiel per WhatsApp oder SMS eingebunden werden müssen.
Welche Verwaltungsmöglichkeiten bietet die Plattform den einzelnen Schülern, den Lehrern und für Gruppenprojekte?
Kalender, To-do-Listen und ähnliches helfen bei der Strukturierung des Unterrichtes. Hier ist wichtig, dass die Schüler zu Hause ihre eigenen privaten Organisationstools haben und nicht nur öffentlich in der Cloud zugängliche Kalender, Notizen, etc. verwenden können.
Welche Form von Feedback erlaubt die Plattform?
Feedback kann unterschiedliche Formen annehmen. So ist es sinnvoll, wenn eine automatische Empfangsbestätigung verschickt wird, wenn Schüler Arbeitsaufgaben einreichen. Lehrer müssen ihnen privates Feedback geben können und öffentliches Feedback im Rahmen des Unterrichts diskutieren können.
Ist der Datenschutz gemäß DSGVO gewährleistet?
Werfen Sie einen Blick in die AGB und die Datenschutzbestimmungen der einzelnen Anbieter. Bei internationalen Plattform heißt die entsprechende Seite Privacy Policy, hier am Beispiel Moodle. Der Run auf digitale Lehrplattformen aufgrund der Corona-Pandemie hat dazu geführt, dass viele schwarze Schafe auf den Markt drängen. Lesen Sie sich das Kleingedruckte also sorgfältig durch, um Datenschutzbedenken der Eltern und der Schulleitung auszuräumen.
Welche Kosten fallen an?
Für finanzschwache Schulen und Kommunen scheinen vollkommen kostenlose Angebote zunächst attraktiv. Allerdings bieten sie meist nur eingeschränkte Funktionalität und versuchen mit kostenpflichtigen Zusatzangeboten die eigenen Kosten zu decken – oder mit dem Verkauf von Daten. Denken Sie daran, dass die Software-Anbieter Geld verdienen müssen, um ihre eigenen Programmierer, Entwickler, Tester und andere IT-Experten zu bezahlen. Für Schulen werden meist ausgesprochen faire Angebote gemacht, die sich lohnen.
Am besten tun sich einige engagierte Lehrer (oder auch engagierte, it- und programmierbegeisterte Schüler) zusammen, die einige vielversprechende Lehrplattformen ausprobieren und der Schulleitung ihre Auswahl präsentieren.
Tipp: Lehrer können und sollten sich miteinander zum Erfahrungsaustausch vernetzen. Unter dem Hashtag #twitterlehrerzimmer findet sich die wohl größte Community bei Twitter, in die sich jeder Lehrer unverbindlich einklinken und Fragen stellen kann.
Wie lässt sich digitaler Unterricht gestalten?
Lehrer sollten der Versuchung widerstehen, den digitalen Unterricht per Videochat als Frontalunterricht wie im Klassenzimmer zu gestalten, d.h. sie sprechen, die Schüler sollen zuhören. Was in der abgeschotteten Welt des Klassenzimmers noch möglich ist, lässt sich kaum realisieren, wenn die Schüler zu Hause sind. Anwesende Eltern, Geschwister und Haustiere sorgen schnell für Ablenkung. Langweilt das Unterrichtsthema, lässt sich das Zuhören viel leichter umgehen als im Klassenzimmer. Besser ist es, wenn sich die Schüler aktiv einbringen oder schriftliche Arbeiten alleine oder in der Gruppe ausführen.
Flipped Classroom
Als erfolgreichstes Lernkonzept hat sich das Prinzip des umgedrehten Klassenzimmers (Flipped Classroom) erwiesen, das jedoch nur bei Hybridunterricht möglich ist: Zuhause eignen sich die Schüler mit Hilfe von Lernfilmen, Videos und Texten neues Wissen an, das dann im gemeinsamen Unterricht in der Schule vertieft, diskutiert und geübt wird.
4+1 Tage
Findet der Unterricht ganz online statt, kann das 4 plus 1-Prinzip angewendet werden. Die Schüler erhalten zu Beginn der Woche Aufgaben, deren Erledigung sie selbst im Verlauf der ersten vier Tage strukturieren können. So kann jeder Schüler im eigenen Tempo lernen und häusliche Gegebenheiten berücksichtigen, zum Beispiel, Tage an denen konzentriertes Lernen leichter möglich ist als an anderen. Am fünften Tag werden die erledigten Aufgaben dann gemeinsam besprochen. Was nicht verstanden wurde, wird in einem Videochat noch einmal gemeinsam durchgegangen.
Lesetipp
Feedback für die Schüler
Ganz wichtig ist generell Feedback: So beklagten sich viele Eltern während der ersten Homeschooling-Phase im Frühling, dass die Lehrer oft wochenlang auf Tauchstation gingen und keinerlei Feedback lieferten. Behandeln Sie eingereichte Arbeitsblätter und Texte genauso wie im normalen Schulunterricht: Die Schüler sollten innerhalb weniger Tage Feedback erhalten. Genau wie im Unterricht sollten Schüler dabei nicht bloßgestellt werden: Hat der Schüler etwas nicht verstanden und/oder eine schlechte Arbeit abgeliefert, sollte privates Feedback in Form eines Kommentars unter dem Arbeitsblatt oder eine kurze persönliche E-Mail über die Lehrplattform erfolgen. Gute Arbeiten können mit der ganzen Klasse geteilt und als Grundlage für eine Diskussion verwendet werden.
Finanzielle Hilfen für Familien und Schulen
Homeschooling hat zu einer Verschlechterung der Chancengleichheit geführt. Bei der Einführung von digitalen Konzepten müssen stets auch die Möglichkeiten der Schüler zu Hause berücksichtigt werden, zum Beispiel der Zugriff auf einen eigenen Laptop oder das Vorhandensein einer stabilen schnellen Internetverbindung.
Das Landessozialgericht Essen entschied, dass Schüler, deren Eltern Leistungen nach SGB II erhalten (Hartz IV), ein Anrecht auf ein kostenloses Tablet zur Teilnahme am digitalen Unterricht haben. Die Kosten für das Tablet, die vom Staat übernommen werden müssen, legte das Gericht auf 150 Euro fest. Weisen Sie finanzschwache Schüler und ihre Eltern auf dieses Urteil hin.
Prüfen Sie dazu, welche Möglichkeiten Ihre Schule hat, die Angebote des DigitalPakts zu nutzen. Im Zuge der Corona-Pandemie hat die Regierung 500 Millionen Euro für ein Sofortprogramm bereitgestellt, das Schüler beim Erwerb eines mobilen Endgeräts unterstützen soll. Daneben können Schulen finanzielle Unterstützung beim Erwerb von Hard- und Software für die Schule selbst anfordern, zum Beispiel für die Lernplattform: Nähere Informationen gibt es hier.
Linksammlung
- Bitkom: Schulschließungen in Zeiten von Corona
- Bildungsklick: Flipped Classroom
- Das Erste: Homeschooling – Das Ende der Chancengleichheit
- Juris.de: Schülertablet als pandemiebedingter Mehrbedarf
- Bundesministerium für Bildung & Forschung: Corona-Hilfe II Sofortprogramm Endgeräte
Bildnachweis
- Ein Schüler lernt zu Hause: Fabio Principe / Shutterstock.com
- Jugendliche an einem Laptop: John Schnobrich / Unsplash
- Ein Lehrer spricht mit einer Schülerarbeitsgruppe : Christian Schwier / stock.adobe.com
- Zwei Personen zählen Münzen: rawpixel / Unsplash