Doch mittlerweile wendet sich das Bild wieder. Den Ausschlag für das Umdenken gab eine 2013 veröffentliche Studie des Münchner Institutes für Wirtschaftsforschung (Ifo), die wiederum eine neuseeländische Analyse aus dem Jahr 2008 stützt.
Wissensvorsprung dank Frontalunterricht
Die Münchner Studie kam zu der Erkenntnis, dass eine Steigerung des Frontalunterrichtes um 10 Prozent bei den Schülern zu einem Leistungsvorsprung führte, der ungefähr dem Wissenszuwachs von ein bis zwei Monaten Schulbildung entspricht. Der neuseeländische Bildungsforscher John Hattie argumentierte in seinem Buch Visible Learning (dt. Lernen sichtbar machen) dass Schüler dann am besten lernen, wenn Lehrer einen klar strukturierten Unterricht anbieten und ihre Klasse stringent führen. Der Frontalunterricht ist dazu bestens geeignet.
Die Bedeutung der Lehrperson im modernen Unterricht
Wichtig, betonen die Experten, sind eine gute Mischung aus verschiedenen Unterrichtskonzepten und eine flexible Anwendung je nach Klasse und Schülertypus. Jüngere Schüler profitieren demnach am meisten vom Frontalunterricht, während bei älteren Schülern Gruppen- und Einzelarbeiten nicht zuletzt als Vorbereitung auf Studium und Berufsleben immer mehr an Bedeutung gewinnen. Nach Hattie hängt erfolgreicher Unterricht von mehreren Faktoren ab, deren Bedeutung er prozentual gewichtet (siehe Darstellung im Tortendiagramm rechts).
Zusammengefasst machen Lehrer, Lehrstoff und Unterrichtsstil also weit mehr als die Hälfte des Lernerfolgs aus. Wenig überraschend: Zu den wichtigsten Elementen eines erfolgreichen Unterrichts gehören ein vertrauensvolles Verhältnis zwischen Lehrer und Schülern und die Fähigkeit des Lehrers, sich klar und deutlich auszudrücken. Beim Frontalunterricht spielt dies natürlich eine besonders große Rolle.
Die Fehler im klassischen Frontalunterricht
Der Frontalunterricht ist per definitionem lehrerzentriert: Der Lehrer besitzt die volle Kontrolle über den Ablauf der Unterrichtsstunde. Er muss in der Lage sein, die Schüler durchgängig zum Zuhören und Mitarbeiten zu motivieren. Dies setzt jedoch zum einen eine gewisse natürliche Gabe voraus: Fesselndes Erzählen, leicht verständliche Erklärungen und eine gewisse Dosis Humor, die den Stoff auflockert. Lehrern, denen dies schwer fällt, setzen bis heute leider eher auf Druck und Autorität, statt auf motivierendes Miteinander. In einem von Notenangst und Strafen geprägten einschüchterndem Klima stellen sich Lernerfolge nur schwer ein.
Dazu fällt es dem menschlichen Gehirn grundsätzlich schwer, sich lange Zeit auf ein Thema zu konzentrieren. Dies kann jeder Erwachsene bestätigen, der langen Vorträgen zuhört. Im Frontalunterricht sind die Schüler oft zum passiven Konsum statt zur aktiven Mitarbeit gezwungen. Die Folge: Geistige Ermüdung und gedankliches Abschalten.
Bindet der Lehrer die Schüler durch Fragestellungen ein, tritt oft das klassische soziale Gefüge zutage: Selbstbewusste extrovertierte Schüler führen das Wort durch rege Beteiligung, während introvertierte und schüchterne Schüler außen vor bleiben.
Lesetipp
Wie sieht guter Frontalunterricht heute aus?
Aufgrund dieser häufig gemachten Fehler geriet der Frontalunterricht in Verruf. Neue Sozialmethoden wie die Gruppenarbeit traten in den Vordergrund. Sie bietet zwei Vorteile: Die Schüler erarbeiten sich ihr Wissen selbst und sind damit motivierter. Zugleich lernen sie in der Gruppe zu kooperieren und jeder Schüler kann seine Stärken einbringen: Der schüchterne stille Schüler mag sich in Frontalunterricht nicht gerne zu Wort melden, gestaltet aber für die Gruppenarbeit ausgefeilte, beeindruckende Grafiken oder exzellent formulierte Texte.
Seit die Studien der letzten Jahre den Frontalunterricht rehabilitiert haben, beschäftigen sich Pädagogen mit der Frage nach Verbesserungsmöglichkeiten. Führend war hier der Schulpädagoge Hilbert Meyer, dessen Werk Was ist guter Unterricht? erstmals 2004 erschien. Seine Tipps gelten insbesondere für den modernen Frontalunterricht:
1. Klare Strukturiertheit
Der Unterrichtsstoff muss zum übergeordneten Lernziel des Halbjahres passen und einem roten Faden folgen. Jede Stunde wird vom Lehrer gründlich vorbereitet und soll mit einem Erkenntnisgewinn abschließen. Dabei ist darauf zu achten, dass die Menge des neuen Wissens auch schwächere Schüler nicht überfordert und während des Unterrichts genug Zeit für Rückfragen und Wiederholungen bleibt.
2. Möglichst viel echte Unterrichtszeit
Meyer verweist auf die so häufige Zeitverschwendung durch einen verspäteten Unterrichtsbeginn und die Beschäftigung mit außerunterrichtlichen Aufgaben und Störungen. Beides sollte auf ein Minimum reduziert werden, damit entsprechend viel Zeit für die Vermittlung es Unterrichtsstoffes bleibt.
3. Lernförderliches Klima schaffen
Ein respektvoller Umgang miteinander und gegenseitige Rücksichtnahme sind unerlässlich für ein gesundes Klima. Lehrer sollten hier darauf achten, dass alle Schüler gleich und gerecht behandelt werden und dass alle die Verhaltensregeln einhalten. Störer werden zum Schweigen ermahnt und stillere Schüler zur Beteiligung ermuntert. Gerade für schüchterne Schüler ist es wichtig zu wissen, dass der Lehrer sie schützt, wenn sie etwas „Dummes“ sagen, das von lauten Schülern mit Spott bedacht wird.
4. Inhaltliche Klarheit
Meyers vierter Punkt schließt an den ersten Punkt an: Eine gute Strukturierung des Lehrstoffs geht Hand in Hand mit verständlichen Aufgabenstellungen und inhaltlicher Klarheit. Lehrer sollten hier im Hinterkopf behalten, dass sie seit vielen Jahren mit dem Stoff bestens vertraut sind – die Schüler jedoch zum ersten Mal damit in Berührung kommen. Hintergrundwissen darf nicht vorausgesetzt werden. Rückfragen seitens des Lehrers sind sinnvoll um sicher zu gehen, dass kein Schüler zurückbleibt.
Meyer führt in seinem Buch noch viele weitere Punkte an, doch diese vier Punkte eignen sich ideal als grundlegender Leitfaden für einen guten Frontalunterricht. Zu beachten ist dabei auch ein Wechsel zwischen Anspannung und Entspannung. Die Schüler sind nicht in der Lage 30-40 Minuten lang einem mit neuem Wissen vollgepackten Vortrag zu folgen. So sollte der Frontalunterricht aus einem Mix aus Vortrag, Fragen der Schüler und Diskussionen bestehen.
Frontalunterricht nur Teil eines gemischten Konzeptes
Eine Rückkehr zu früheren Zeiten, als der Schulunterricht fast ausschließlich aus Frontalunterricht bestand, ist natürlich nicht wünschenswert. Gruppenarbeit und Partnerarbeit, die zur Teamfähigkeit erziehen und Einzelarbeit, die zu selbständigem Arbeiten anleitet, sind heute unverzichtbare Bausteine der pädagogischen Arbeit. Eine gelungene Mischung aus allen Unterrichtsformen, ergänzt durch Klassenausflüge, Klassenfahrten, Workshops und andere praktische Erfahrungen, führt zu einem ausgewogenen runden Unterricht, bei dem kein Schüler zurückbleibt.
Weitere Beiträge zu den Sozialformen
Linksammlung
- Andrea Schulz: Gruppenarbeit oder Frontalunterricht ? Eine vergleichende Betrachtung
- John Hattie – Lernen sichtbar machen, Verlag Schneider-Hohengehren (ISBN-13: 978-3834014504)
- Hilbert Meyer – Was ist guter Unterricht?, Verlag Cornelsen (ISBN-13: 978 3589017409)
- Frankfurter Allgemeine Zeitung: Frontalunterricht macht klug
Bildnachweis
- Teaserbild: ESB Professional/ Shutterstock.com
- Lehrerin steht an einer Tafel vor ihrer Klasse: maxbelchenko/ Shutterstock.com